Bundesgerichtshof erlaubt Bildsuchmaschinen – Google Thumbnails

Bundesgerichtshof erlaubt Bildsuchmaschinen – Google Thumbnails

Bundesgerichtshof erlaubt Bildsuchmaschinen – Google Thumbnails

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Bildsuchmaschinen – Rechtswidrig und doch nicht?

Inzwischen gehört es zur Grundausstattung jeder Suchmaschine Fotos und sonstige Grafik-Dateien, die auf Webseiten frei zugänglich sind, über eine textbasierte Suche in den Internet-Suchmaschinen mittels einer speziellen Bildsuchmaschine aufzufinden. Das dabei praktizierte Abspeichern der Bilder durch die Suchmaschinenbetreiber und das Zeigen von kleinen Vorschaubildern im Rahmen des Suchergebnisses war juristisch lange sehr umstritten. Der Bundesgerichtshof (BGH) den Streit kürzlich zugunsten der Bildsuchmaschinen entschieden. Diese Grundlagen-Entscheidung lohnt einen näheren und vor allem kritischen Blick auf die Begründung, vor allem aber auf die praktischen Konsequenzen.

Zunächst aber ein kleiner Exkurs: Neurowissenschafter haben bei der Untersuchung der Gehirnaktivitäten bei der Entscheidungsfindung von Juristen festgestellt, dass zuerst intuitive und emotionale Prozesse Entscheidungen vorbereiten, dann aber das logische Denken die juristische Begründung der Entscheidung liefert. Diesen Eindruck kann man auch gewinnen, wenn man die aktuelle Entscheidung des BGHs zur Zulässigkeit der Anzeige von Vorschaubildern (Thumbnails) durch Internet-Suchmaschinenbetreiber wie Google liest. Der Kernsatz zum Verständnis der Entscheidung ist das „allgemeine Interesse an der Tätigkeit von Bildsuchmaschinen“ – BGH, Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 69/08 . Noch deutlicher schrieb zuvor der ehemalige, für Urheberrecht zuständige BGH-Richter von Ungern-Sternberg in einem Fachaufsatz, mit dem er seinen Kollegen die Grundzüge für ihre Entscheidung liefert:

„Es darf jeder darauf vertrauen, dass Berechtigte (als Inhaber von Urheberrechten) nicht eigensüchtig unter Ausnutzung ihrer formalen Rechtsstellung Nutzungen blockieren, die für das Funktionieren des Internets notwendig sind …. Dies gilt in besonderer Weise für den Einsatz von Suchmaschinen, die für die Benutzung des Internets unabdingbar sind. … Würden einzelne Urheberberechtigte ihre Rechte ohne Rücksicht auf andere und ohne schützenswerte Eigeninteressen durchsetzen, müsste der Betrieb von Suchmaschinen zum Schaden der Allgemeinheit eingestellt oder stark eingeschränkt werden.“
(v. Ungern-Sternberg, Schlichte einseitige Einwilligung und treuwidrig widersprüchliches Verhalten des Urheberberechtigten bei Internetnutzungen, GRUR 2009, 369, 374)

Die Vorschaubild-Entscheidung zu Bildsuchmaschinen

Körperliche Vervielfältigung

Geklagt hatte eine Künstlerin, deren Kunstwerke ohne ihre Zustimmung im Rahmen der Bildsuchanzeige gezeigt wurden. Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass ihr keine Unterlassungsanspruch gegen Google zusteht. Auch wenn es bei der Entscheidung um die Bildsuchanzeige von Kunstwerke und nicht von Fotografien geht, ist die urheberrechtliche Frage für Fotografien die gleiche, so dass die Entscheidung unmittelbar auch für Fotografien anwendbar ist. Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Crawler, die Programme, die Google zum Auffinden von Grafikdateien im Web einsetzt, zu einer – wenn auch stark verkleinerten – Vervielfältigung, § 16 UrhG, durch Speichern auf den Servern von Google führt und Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke grundsätzlich der Zustimmung der Urheber bedürfen. Da die Vervielfältigungen der gefundenen Werke aber bei Google-USA erfolgen und um Bereich des geistigen Eigentums das Recht des Landes gilt, in dem die Rechtsverletzung begangen wird und man Schutz in Anspruch nimmt (Schutzlandprinzip), könne sich die in Deutschland klagende Künstlerin nicht gegen die Vervielfältigung in den USA wenden.

Unkörperliche Nutzung durch Zeigen auf Webseiten

Die deutsche Tochtergesellschaft von Google USA zeigt die Bilder aber unter google.de und macht sie somit hierzulande öffentlich zugänglich, § 19a UrhG, nutzt also die Werke der Klägerin. Die verkleinerten Vorschaubilder stellen – anders als das noch die Vorinstanz sah – keine zustimmungsfreie Bearbeitung der Ausgangsbilder dar, § 23 UrhG, da sie inhaltlich unverändert sind. Die Vorschaubilder stellen auch kein vom Original unabhängiges selbständiges Werk dar, so dass keine freie Benutzung, § 24 UrhG zulässig ist.

Sonstige gesetzliche Schranken des Urheberrechts, die eine Erlaubnis für google darstellen würden, greifen nicht ein. So kommt das Privileg für Proxy Cache Provider, § 44a UrhG, nicht in Betracht, da es sich nur auf die technischen Vervielfältigungen auf dem Server bezieht und nicht das öffentliche Zugänglichmachen abdeckt. Vorschaubilder stellen eine eigenständige Nutzungsmöglichkeit mit wirtschaftlicher Bedeutung dar. Die Vorschaubilder dienen weiterhin nicht dazu, eine eigene Aussage zu belegen, so dass das Zitatrecht, § 51 UrhG, Google nicht weiterhilft.

Nutzungsrechtseinräumung an Bildsuchmaschinen

Nach den gesetzlichen Schranken untersucht der BGH die Einräumung eines Nutzungsrechts durch die Künstlerin an Google durch das Hochladen der Bilder auf ihre Webseite, § 31 UrhG. Eine ausdrückliche, gar schriftliche Nutzungsrechtseinräumung (Lizenzvertrag) liegt unbestritten nicht vor. Aber teilweise wurde Rechtswissenschaftlern und Gerichten die Ansicht vertreten, dass durch das bloße Hochladen von Bildern auf Webseite eine stillschweigende, sogenannte konkludente Nutzungsrechtseinräumung durch schlüssiges Verhalten erfolgt sei. Dieser Auffassung hat der BGH zu Recht widersprochen: dem Hochladen von Bilder auf Webseiten können nur die Erlaubnis für die Besucher der Webseite zum Betrachter der Bilder einschließlich der Vervielfältigung im Browser entnommen werden, nicht aber die Nutzungsrechtseinräumung an Google zur öffentlichen Zugänglichmachung der Werke auf eigenen Webseiten im Rahmen der eigenen Dienstleistung. Auch durch das Setzen von Keywords in den Metatags der Webseite und sonstiger Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist keine Nutzungsrechtseinräumung für die Vervielfältigung und Veröffentlichung der Bilder an Google zu sehen.

Schlichte Einwilligung

Da weder eine gesetzliche Schranke (Erlaubnis) noch eine (vertragliche) Nutzungsrechtseinräumung vorliegt, müsste hier im Grund das Ende der Bildsuchmaschinen gekommen sein. Die Bildsuchmaschinen sind nach Auffassung des BGH jedoch für die Funktionsfähigkeit und die Nutzung des Internet unabdingbar und von allgemeinem Interesse, so dass – wie es von Ungern-Sternberg, dessen Aufsatz in der BGH-Entscheidung auch zitiert wird, ausdrückt – „eigensüchtige“ Urheber dies nicht „ohne schützenswerte Eigeninteresse“ unter Ausnutzung ihrer bisher festgestellte „formalen Rechtsposition“ stoppen können sollen. Deshalb greift der BGH zu einem fragwürdigen Kunstgriff, der nur schwer nachvollziehbar ist: der Rechtsinhaber soll durch das Hochladen der Bilder auf die Webseite einen „schlichte Einwilligung“ in das rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachen seiner Bilder in den Bildsuchanzeigen gegeben haben. So jedenfalls stelle sich das Hochladen der Bilder aus Sicht des Suchmaschinenbetreibers dar und auf dessen objektiven Verständnishorizont komme es an. Die schlichte Einwilligung können nur dadurch aufgehoben werden, dass der Webseitenbetreiber technische Schutzmaßnahmen ergreift, also insbesondere in seine Webseiten einen Robot-Text (s.u.) aufnimmt, der den Crawlern die Erfassung der Bilder auf den entsprechenden Webseiten ausschließt. Ein ausdrücklicher Widerspruch genügt nach Auffassung des BGH nicht, um die unterstellte Einwilligung zu beseitigen. Die unterstellte „schlichte Einwilligung“ führt damit zur Rechtmäßigkeit der Bildsuchanzeige und zwar bis zum nächste Crawlerlauf auch für zwischenzeitlich aus der Original-Seite entfernte Bilder.

Kritik an der Vorschaubild-Entscheidung zu Bildsuchmaschinen

Vervielfältigung: Einerseits ist dem BGH Recht zu geben, dass das Schutzlandprinzip gilt und man die Vervielfältigung in den USA dort angreifen muss. Aber hier macht sich die deutsche Tochter die Rechtsverletzung der US-Mutter zu eigen und präsentiert die Ergebnisse unter google.de, so dass man auch die Tochter unter den Grundsätzen der Störerhaftung für das Verhalten der US-Mutter mit verantwortlich machen könnte.

Einwilligung: Mit der Einwilligungs-Lösung schafft der BGH im Ergebnis eine vom Gesetzgeber und den EU-Richtlinien zum Urheberrecht nicht vorgesehene neue Schranke zugunsten von Bildsuchmaschinenbetreibern, die noch dazu entschädigungslos – also ohne Urheberabgaben und Erlösbeteiligung der Urheber – ist. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung neue Schranken zu schaffen. Vielmehr hätte der BGH diese Aufgabe an den Gesetzgeber verweisen müssen, auch mit der Konsequenz, dass Suchmaschinen nur noch die Bilder in die Suchmaschine hätten aufnehmen dürfen, bei denen die Urheber dieser Nutzung ausdrücklich zugestimmt haben. Wie der BGH selbst richtig feststellt, handelt es sich bei dieser eigenständigen Nutzungsform um eine mit wirtschaftlichen Auswirkungen und Interessen. Schließlich wird Google nicht uneigennützig im Interesse der Allgemeinheit tätigt, sondern verdient mit seinen Suchdiensten, zu denen die Bildsuche gehört, und die ein attraktives Werbeumfeld darstellen, viel Geld. Auch die Bundesjustizministerin betont in ihrer Berliner Rede am 14.06.2010 die von kommerziellen Interessen getriebenen Methoden von Google, das sie erst mal urheberrechtlich geschützte Werke nutzt und sich dann nachträglich mit den betroffenen Rechteinhabern auseinandersetzt. Google ist inzwischen auch dazu übergegangen, die Bildsuchergebnisse nicht nur auf den bisher noch werbefreien Bildsuchseiten zu zeigen, sondern als Teil des Suchergebnisses auch auf allgemeinen Suchseiten mit Werbung, wenn Bilder zur Suchanfrage passen. Wenn es, wie die Justizministerin in ihrer Rede und selbst der BGH in anderen urheberrechtlichen Entscheidung zu Recht immer wieder betont, die Aufgabe des Urheberrechts ist, die Urheber angemessen an den wirtschaftlichen Früchten ihrer Arbeit zu beteiligen, dann gilt dies auch für die Nutzung ihrer Werke im Rahme des Werbeumfeldes von Suchmaschinen. Der Gesetzgeber könnte eine neue Schranke des Urheberrechts zugunsten der Suchmaschinenbetreiber einführen, die mit einer Urheberrechtsabgabe an die VG Bild-Kunst gekoppelt ist und den Urhebern zugute kommt.

Die Bildsuchmöglichkeiten dienen nicht nur der Allgemeinheit im positiven Sinne und den wirtschaftlichen Interessen der Suchmaschinenbetreiber, sondern können auch von „Bilderdieben“ missbraucht werden. Zahlreiche Rechtsverletzungen entstehen dadurch, dass sich jedermann die Bilder, die er gebrauchen kann bzw. die ihm gefallen, einfach zusammensuchen und runterladen kann, ohne sich über die Rechtsmäßigkeit seiner anschließenden Nutzungshandlungen Gedanken zu machen. Die Bildsuchmaschinen eröffnen nicht nur den Bildanbietern die Möglichkeit, besser gefunden zu werden oder die Rechtsverletzungen an eigenen Bildern leichter auffinden zu können, sondern sie schaffen auch eine Gefahrenquelle für Rechtsverletzungen. Daher sollte es bei dem Grundsatz bleiben, dass derjenige, der seine Bilder indexiert haben will, dem selbst in Kenntnis dieser Gefahr zustimmt und ihm diese Entscheidung nicht durch rechtliche und technische Standards ohne finanziellen Ausgleich abgenommen wird. Diese Entscheidungsfreiheit gehört zu den Kernkompetenzen des Urhebers, die zu gewährleisten die Aufgabe des Urheberrechts ist.

Die BGH-Entscheidung stellt einen Paradigmenwechsel im Urheberrecht dar, wenn von dem Grundsatz, dass die Nutzer eine gesetzliche oder vertragliche Nutzungserlaubnis haben müssen, abgewichen wird und der Rechtsinhaber jetzt ein Opt-Out auf technischem Wege vornehmen muss. Das Internet und auch die Suchdienste würden genauso gut funktionieren, wenn Suchmaschinenbetreiber nur die Bilder der Webseiten indexieren, die diese für den Zweck bei den Suchmaschinen selbst aktiv angemeldet habe, oder die zumindest ausdrücklich einen Robot-Text in ihrer Webseite aufgenommen haben, der den Crawlern der Suchmaschinen das Indexieren ihrer Seite erlaubt. Es ist kein zwingender Grund ersichtlich, warum derjenige, der seine Bilder nicht technisch schützt, in die rechtswidrige Nutzung seiner Bilder (vielleicht ja auch unwissentlich und unterstellt) einwilligt. Jemand der sein Fahrrad unabgeschlossen vor einem Geschäft stehen lässt, willigt ja auch nicht durch die unterlassene Sicherungsmaßnahme in die Wegnahme seines Eigentums ein.

Technische Lösung: Robot-Texte gegen Bildsuchmaschinen

Solange aber weder der BGH noch das Bundesverfassungsgericht diese Rechtssprechung ändern oder der Gesetzgeber eine andere Lösung vorgibt, bleibt den Urhebern nichts anderes übrigen, als sich der Situation anzupassen, also die technische Lösung zu wählen. Wenn man nicht will, dass die eigenen Fotos von Google oder anderen Suchmaschinen in den USA gespeichert und in Deutschland in Suchanzeigen gezeigt werden, sondern man nur über die Textsuche gefunden werden will, muss man die Foto entweder nur in einer für die Crawler der Suchmaschinen nicht zugänglichen geschlossenen Benutzergruppe zeigen oder Robot-Texte in das Verzeichnis seiner Webseiten aufnehmen.

Bei den Robot-Texten handelt es sich um eine separate Text-Datei im Hauptverzeichnis mit der Möglichkeit, verschiedene Einstellungen das Verhalten von Suchmaschinen festzulegen:

1. User-Agent: Googlebot-Image Disallow: / – sperrt die Google-Bildsuche komplett aus

2. User-agent: * Disallow: /Galerie/ Disallow: /Poster/ – alle Suchmaschinen werden von den Verzeichnissen „Galerie“ und „Poster“ ausgeschlossen

3. User-agent: * Disallow: /*.jpg$ Disallow: /*.JPG$ – jpg-Dateien dürfen nicht indexiert werden

(http://de.wikipedia.org/wiki/Robots_Exclusion_Standard

http://de.selfhtml.org/diverses/robots.htm )

Google selbst gibt an, wie man Bilder aus der Google Suchanzeige entfernen kann:

http://www.google.com/support/webmasters/bin/answer.py?hl=de&answer=35308

Fazit

Die wesentlichen Fragen der Bildsuchanzeige sind durch die BGH-Entscheidung – auch wenn man sie vom Ergebnis, insbesondere aber der Begründung kritisieren mag – zumindest vorerst geklärt – keiner wird auf die Bildsuchfunktionen aus rechtlichen Gründen verzichten müssen. Die Indexierung der eigenen Web-Bilder bleibt solange Standard, bis man selbst auf technischem Wege etwas unternimmt.

David Seiler, Frankfurt den 22.06.2010
Rechtsanwalt

veröffentlicht in Photopresse 19/2010, S. 22 – ursprünglich online unter www.fotorecht.de

siehe Vortrag (auch zur Personensuchmaschinen 123people.de oder Yasni) hierzu auf der DSRI-Herbstakademie 2011

siehe zur Kritik an der Anfang Februar 2017 unter google.de neue Form der Suchergebnisanzeige und der Kritik hieran den offenen Brief von BVPA und anderen Verbänden

siehe Beitrag zum Bildsuchanzeige 2017