Streitwert bei Produktfotos für private eBay-Auktion

Streitwert bei Produktfotos für private eBay-Auktion

Streitwert bei Produktfotos für private eBay-Auktion

Streitwert, Produktfoto, eBay Unterlassungsanspruch, Urheberrecht, Fotorecht, Rechtsanwalt David Seiler, Cottbus, Berlin, Brandenburg, Dresden, Leipzig

Streitwert für urheberrechtliche Unterlassungsansprüche wegen Verwendung eines Produktfotos für private Internetauktion (eBay)

Anmerkung zur Streitwertbemessung: OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.10.2011 – 2 W 92/11

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Maßgeblicher Bewertungsgesichtspunkt für die Bestimmung des Streitwerts für einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch ist kein einheitlicher Regelstreitwert, sondern das individuelle Interesse des Klägers an der Rechtsdurchsetzung.
Anhaltspunkte bieten drei Fallgruppen:

(1) Vermarktet der Urheber das Werk selbst, sichert er durch den Unterlassungsanspruch sein Lizenzinteresse, so dass bei der Streitwertbemessung auf den drohenden Lizenzschaden abzustellen ist.
(2) Wenn der Urheber die Exklusivität seines Werkes sichern will, also gerade nicht auf eine Vermarktung des Werkes abzielt, sondern z.B. den Werbewert erhalten möchte, ist die Abschwächung des Werbewertes bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen.
(3) Geht es dem Urheber nicht um die Vermarktung seines Werkes, sondern um die Achtung seiner schöpferischen Leistung, gibt das immaterielle Interesse bei der Streitwertbemessung den Ausschlag.

2. Der Streitwert für einen Unterlassungsanspruch wird durch Verdopplung des Lizenzschadensersatzes ermittelt.

3. Dem Streitwert kommt weder eine Sanktions- noch eine generalpräventive Funktion zu.

A. Problemstellung

Im Vordergrund der Entscheidung steht die Frage, wie hoch der Streitwert bei einem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch anzusetzen ist und nach welchen Kriterien er sich bemisst. Der Streitwert bestimmt die Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten, also folglich die Verdienstmöglichkeiten des Anwalts und das Kostenrisiko des Klägers, aber auch des Beklagten.

In Markensachen hat sich ein Regelstreitwert von 50.000 Euro eingebürgert (vgl. BGH, Urt. v. 16.03.2006 – I ZB 48/05). Im Wettbewerbsrecht sind Gegenstandswerte ab 25.000 Euro durchaus üblich. Es stellt sich die Frage, ob im Urheberrecht auch von einem Regelstreitwert für Unterlassungsansprüche auszugehen ist, den der Klägeranwalt mit 6.000 Euro ansetzt.

Hintergrund der Überlegung, den Streitwert für einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch im Vergleich zum Lizenzschaden, der im vorliegenden Fall mit 150 Euro für ein Foto im Rahmen einer privaten eBay-Auktion angegeben war, so hoch anzusetzen ist das Empfinden eines Sanktionsdefizites bei Urheberrechtsverletzungen. Wenn der entdeckte und in Anspruch genommene Verletzer nach der Lizenzanalogie nur das als Lizenzschaden zahlen muss, was er bei Abschluss eines Lizenzvertrages ohnehin hätte zahlen müssen, fehlt es an einer Sanktion und damit an einem Anreiz, sich rechtstreu zu verhalten, gerade wenn man als Verletzer von einem geringen Risiko entdeckt und dann auch noch in Anspruch genommen zu werden ausgehen muss. Ein hoher Streitwert soll durch die damit ausgelösten hohen Anwalts- und Gerichtskosten für den unterliegenden Verletzer die vermisste Sanktion darstellen und zugleich einen abschreckenden und damit generalpräventiven Effekt haben.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das OLG Braunschweig gibt der gegen einen Streitwertfestsetzungsbeschluss gerichteten Beschwerde weitgehend Recht und setzt den Streitwert von 6.300 Euro auf 600 Euro herab. Grundlage des Streitwertbeschlusses war der in der Klageschrift geschätzte Streitwert. Dieser setzte sich zusammen aus 150 Euro Schadensersatz für ein Foto eines Mischpultes, welches urheberrechtswidrig in einer privaten eBay-Auktion verwendet wurde, zzgl. 100% Verletzerzuschlag, einem Freistellungsanspruch wegen angefallener Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 100 Euro und einem Unterlassungswert von 6.000 Euro.

Da die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hatte das Oberlandesgericht nicht mehr über die Frage der Höhe des Schadensersatzanspruchs und der Rechtfertigung eines Verletzerzuschlages zu entscheiden. Häufig wird der Schadensersatz für den fehlenden Urhebervermerkt, der meist mit 100% des Lizenzschadens festgesetzt wird, irrig als Verletzerzuschlag bezeichnet.

Das Oberlandesgericht stellte zunächst klar, dass es keinen Regelstreitwert für den Unterlassungsanspruch im Urheberrecht gibt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes zu ermitteln ist, was der Streit dem Kläger wert ist. Dazu arbeitete es drei Gesichtspunkte bzw. Fallgruppen heraus:

(1) Vermarktet der Urheber das Werk selbst, sichert er durch den Unterlassungsanspruch sein Lizenzinteresse, so dass bei der Streitwertbemessung auf den drohenden Lizenzschaden abzustellen ist.

(2) Wenn der Urheber die Exklusivität seines Werkes sichern will, also gerade nicht auf eine Vermarktung des Werkes abzielt, sondern z.B. den Werbewert erhalten möchte, ist die Abschwächung des Werbewertes bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen.

(3) Geht es dem Urheber nicht um die Vermarktung seines Werkes, sondern um die Achtung seiner schöpferischen Leistung, gibt das immaterielle Interesse bei der Streitwertbemessung den Ausschlag.

Im vorliegenden Fall nutzte der Kläger das Produktfoto selbst zur Vermarktung der Mischpulte als Werbefoto in seinem Internetshop. Daher ist sein Exklusivitätsinteresse, dass das Foto nicht von Konkurrenten ebenfalls zu Werbezwecken verwendet wird, maßgeblich. Ebenfalls zu berücksichtigen ist der Aufwand für die Erstellung des Fotos. Im konkreten Fall handelt es sich um eine einfache Sachaufnahme, ein Produkt- bzw. Katalogfoto, dem das Oberlandesgericht keinen Motivschutz zuerkennt.

Bei der Bemessung des Wertes des Unterlassungsanspruchs stellt das OLG Braunschweig auf den Lizenzschaden ab, da es darum geht sowohl die Fortsetzung der konkreten Rechtsverletzung abzuwenden als auch künftige gleichgelagerte Rechtsverletzungen zu verhindern. Da es im Grund um (mindestens) zwei Rechtsverletzungen geht, sei der Lizenzschaden zu verdoppeln und als Unterlassungsstreitwert zugrundezulegen. Bei der Höhe des Lizenzschadens hat sich das Oberlandesgericht zunächst an dem vom Kläger angegebenen Betrag zu orientieren, sofern dieser nicht offenkundig fehlerhaft ist. Der Streitwert ergibt sich im folgenden Fall aus der Verdopplung des eingeklagten Zahlungsbetrags von 300 Euro, beläuft sich also mithin auf 600 Euro. Der Befreiungsanspruch von vorgerichtlichen Anwaltskosten bleibt als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung außer Betracht.

Dem Argument, die lange Laufzeit des urheberrechtlichen Schutzes, wirke streitwerterhöhend, erteilt das Oberlandesgericht eine klare Absage. Zum einem läuft eine private eBay-Auktion maximal zehn Tage und das Foto ist anschließend noch weitere 90 Tage einsehbar, zum anderen handelt es sich um eine Produkt- bzw. Funktionsfotografie, deren Nutzwert sich auf die Marktpräsenz des abgebildeten Produktes beschränkt, die aufgrund der technischen Innovationen und Produktzyklen deutlich kürzer sei als der urheberrechtliche Schutz. 

Die Aussage, dass ein Foto nur solange von Interesse sei, wie das Produkt am Markt ist, mag zwar auf den ersten Blick überzeugen, kann jedoch so nicht geteilt werden. Gerade bei privaten Auktionen kommt es häufig vor, dass Produkte versteigert werden, die nicht mehr von ihrem Hersteller vertrieben werden, bei denen es sich vielleicht auch um Sammlerstücke handelt. Oder mit den Fotos soll die Technik- und Produktdesign-Geschichte dokumentiert werden.

Wenn bei der Ermittlung des Unterlassungswertes der Lizenzschaden lediglich verdoppelt wird, unterstellt das Gericht, dass nur eine weitere Rechtsverletzung verhindert werden soll. Da im Internet aber Kopieren und öffentliches Zugänglichmachen so leicht ist und eine große Multiplikatorgefahr besteht, wäre die Erhöhung des Multiplikators ein überzeugenderer Weg zur Streitwerterhöhung als die vom OLG Braunschweig zu Recht abgelehnte Sanktions- oder generalpräventive Funktion.

OLG Hamburg (Urt. v. 10.03.2004 – 5 W 3/04 – GRUR-RR 2004, 342) und KG Berlin (Beschl. v. 19.12.2003 – 5 W 367/03 – GRUR 2005, 88) setzen in Relation zur Urheberrechtsverletzung und zum Schadensersatzbetrag vergleichsweise hohe Streitwerte fest, um für den Verletzer die von ihm zu ersetzenden Gerichts- und Anwaltskosten mit dem Ziel der Abschreckung zu erhöhen. So wurde der Streitwert bei urheberrechtswidriger Nutzung von Stadtplanausschnitten im Internet auf Webseiten bei Lizenzgebühren von 60 Euro bis 800 Euro ein Streitwert von 6.000 Euro bis 10.000 Euro festgesetzt, woraus sich Anwalts- und Gerichtskosten bis zu 3.527,30 Euro ergeben. Das OLG Rostock (Urt. v. 14.11.2006 – 2 W 25/06) hat in einem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Vorgang – der Urheberrechtsverstoß bei einem in eBay genutzten Foto wurde mit einem Lizenzschaden von 200 Euro festgesetzt – aus generalpräventiven Erwägungen einen Unterlassungsstreitwert von 6.000 Euro festgesetzt.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die besonders große Nachahmungsgefahr aus einem verbreiteten leichtfertigen Umgang mit derartigen Urheberrechten zu berücksichtigen ist. Der Gesichtspunkt der wirkungsvollen Abschreckung vor künftigen gleichartigen Rechtsverstößen ist selbst bei nicht sehr erheblichen Verstößen gegen geistige Schutzrechte angemessen zu berücksichtigen. Dies sei auch die Intention des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums. Die Unterbindung der Missachtung geistiger Schutzrechte ist ein wichtiges Anliegen der Allgemeinheit. Das Oberlandesgericht stellt fest, dass sich die nach Urheberstrafrecht mögliche strafrechtliche Verfolgung derartiger „Bagatelldelikte” angesichts der heute verbreiteten Überlastung der Strafverfolgungsbehörden trotz des gesetzlich verbrieften Sanktionsanspruchs häufig als „stumpfes Schwert” erweist. Der Verletzte habe aber einen Anspruch darauf, dass entdeckte Urheberrechtsverletzungen empfindlich kostspielig werden, sei es durch Abmahn- oder Gerichtskosten.

Die Entscheidungen von OLG Hamburg (Urt. v. 10.03.2004 – 5 W 3/04 – GRUR-RR 2004, 342) und KG Berlin (Beschl. v. 19.12.2003 – 5 W 367/03 – GRUR 2005, 88) zur Abschreckung durch vergleichsweise hohe Streitwerte verdient zwar von der Intention her Zustimmung und zeigt deutlich ein auch von der Rechtsprechung erkanntes Defizit des Schutzes von Urheberrechten durch die Schadensersatzbemessung in Höhe der üblichen Lizenz. Dieser Weg liegt aber gerade nicht im Interesse des Urhebers, insbesondere nicht seit sich durch die Deckelung des Erstattungsanspruchs von Abmahnkosten auf 100 Euro mit der Einführung von § 97a Abs. 2 UrhG (Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 07.07.2008, BGBl. I, 1191) die Streitwerterhöhung gegen den Urheber richtet. Er erhöht für den Verletzten zusätzlich das Prozessrisiko, denn er hat selbst im Falle des Obsiegens als Mandant die Kosten seines Anwalts und des Gerichts zu tragen, wenn der Verletzer nicht solvent ist. Außerdem wurde der Kostenerstattungsanspruch bei einfach gelagerten Urheberrechtsverletzungen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro durch § 97a Abs. 2 UrhG gedeckelt. Wenn der Streitwert hoch festgesetzt, der Erstattungsanspruch aber abgeschnitten wird, hat der verletzte Urheber zusätzlich noch die darüber liegenden Kosten seines Anwalts zu tragen. Dies hat zur Folge, dass sich der Abschreckungseffekt eher gegen den verletzten Urheber richtet und diesen von einem rechtlichen Vorgehen abhält. Das entspricht nicht der vom Gesetzgeber gewollten Schutzverbesserung im Bereich des geistigen Eigentums.

Auch rechtspolitisch ist der Weg verfehlt, denn die Zahlungen aus den durch die Streitwerterhöhung resultierenden Kosten für den Verletzer kommen nicht dem Verletzten zu gute, sondern den Anwälten und dem Justizhaushalt. Vorzuziehen ist aber ein verstärkter Schutz von Urheberrechten, der im Verletzungsfalle den Urhebern zugutekommt und dessen Nachteile und Risiken ausgleicht (vgl. zu den Nachteilen und Risiken des Verletzten Heermann, GRUR 1999, 625).

Das Gericht verweist den Urheber auf die Möglichkeit, einen Strafantrag zu stellen, wenn der Urheberrechtsverstoß zugleich eine Straftat nach § 106 Abs. 1 UrhG darstellt. Dort könnten generalpräventive Erwägungen berücksichtigt werden.

Der Streitwert kann auch nicht deshalb auf über 5.000 Euro standardmäßig festgesetzt werden, nur um zur Zuständigkeit des Spezialkammern für Urheberrechtsverstöße am Landgericht zu kommen.

C. Kontext der Entscheidung

Da Grundlage der Streitwertbemessung des Unterlassungsanspruchs der Lizenzschaden ist, steht diese Entscheidung im Zusammenhang mit den Entscheidungen zum Lizenzschaden bei Urheberrechtsverletzungen, hier speziell an Fotos in eBay-Auktionen. Zu diesem Bereich gibt es zahlreiche Entscheidungen. Die Tendenz geht aber eindeutig dahin, die Streitwerte gerade bei Fotoklau für private ebay-Auktionen zum Teil erheblich gegenüber den geltend gemacht MFM-Vergütungssätzen zu reduzieren, meist auf 20 – 60 Euro oder gar auf den Verkaufsgewinn (Verkaufserlös abzüglich Restwert der Sache) und den Unterlassungsstreitwert auf den doppelten Lizenzwert festzusetzen, wobei die Spanne mit gut nachvollziehbarer Begründung vom einfachen Wert bis zum nicht nachvollziehbaren 10 fachen Wert reicht. Gerade im Fällen privater Rechtsverletzer akzeptieren die Gericht keine Erhöhung des Streitwerts mit dem Ziel, dem Rechtsverletzer eine faktische Geldstrafe aufzubrummen. Nach meinem Eindruck ist damit auch der Hintergedanke verbunden, überzogen höhe Abmahnforderungen dadurch zurück zu drängen, dass diese nicht mehr so gewinnträchtig oder zumindest mit erheblicher Rechtsunsicherheit für den Kläger verbunden sind.

Das AG Hannover (Urt. v. 03.06.2008 – 439 C 2674/08) verurteilte einen 17-Jährigen wegen „eBay-Foto-Klau“ zur Zahlung von 100 Euro Schadensersatz pro rechtswidrig genutztem Bild.

Das AG Köln (Urt. v. 21.04.2011 – 137 C 691/10) erkannte auf einen Schadensersatzanspruch von 90 Euro bei einer siebentägigen Auktionsdauer, auch wenn das Foto danach noch 90 Tage abrufbar ist. Ein Schadensersatzanspruch wegen fehlendem Urhebervermerk wurde nicht zuerkannt, da der Kläger nur Nutzungsrechtsinhaber und nicht Urheber ist. Der Streitwert wurde auf 2.500 Euro festgesetzt.

Das LG Düsseldorf (Urt. v. 19.03.2008 – 12 O 416/06) erkannte auf einen Schadensersatzanspruch von 300 Euro pro Bild. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 100 Euro für die erste Auktion zuzüglich 50% für die zweite Auktion und einem 100% Zuschlag wegen fehlendem Urhebervermerk.

Das OLG Brandenburg (Urt. v. 03.02.2009 – 6 U 58/08 – ITRB 2009, 81) urteilte eine Schadensersatzbetrag von 40 Euro zuzüglich 100 Euro Abmahnkostenerstattung aus. Das Foto zeigte ein Navigationsgerät, welches für eine private Auktion genutzt wurde. MFM-Fotohonorarempfehlungen seien keine geeignete Bemessungsgrundlage für private Auktionen. Zu berücksichtigen sei der geringe Auktionserlös. Daher seien 20 Euro ein angemessener Schadensersatz zuzüglich 100% wegen fehlendem Urhebervermerk (vgl. hierzu Brennecke: Die Abmahnkostendeckelung hat zur Folge, dass der Urheber einem Großteil der Abmahnkosten selbst zahlen muss und so infolge der Durchsetzung seiner Rechte weitere wirtschaftliche Nachteile erleidet und Ullmann, jurisPR-WettbR 10/2009 Anm. 4: Schadensersatz wegen § 13 UrhG auch bei einfachen Lichtbildern, MFM bleibt weiter Orientierungsgröße trotz BGH, Pressefotoentscheidung).

Das OLG Brandenburg (Urt. v. 15.05.2009 – 6 U 37/08) entschied, dass die MFM-Fotohonorarübersicht grundsätzlich anwendbar sei, aber die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. In der MFM-Honorarübersicht wurde erst seit 2009 ein Tarif für Online-Shops aufgenommen. Daher lehnt sich das Oberlandesgericht an den Tarif für Einblendung in Onlinedienst, Internet (Werbung und PR) an. Zur Lizenzerhöhung wird berücksichtig, dass das Foto von einem Wettbewerber genutzt wurde. Der Schadensersatz beträgt 60 Euro pro Woche zzgl. 10 Euro Zuschlag wegen der Konkurrenzsituation und 50% Zuschlag wegen Wiederholungsnutzung sowie 100% Aufschlag wegen unterlassender Urheberbezeichnung. Zudem besteht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Bei Schadensersatz sind nur 5% über Basiszins und nicht 8% im geschäftlichen Verkehr als Verzugsschaden festzusetzen.

Das OLG Köln hält mit Beschluss vom 22.11.2011 – 6 W 256/11 nicht mehr an einem Regelstreitwert von 6.000,- Euro für einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen Fotorechtsverletzungen in Fällen privater eBay-Auktionen fest, sondern hält für derartige Fälle einen Streitwert von 3.000 Euro für angemessen und ausreichend.

Das OLG Braunschweig, 08.02.2012 – 2 U 7/11 begrenzt den Lizenzschaden für rechtswidrigen Fotonutzung in privaten eBay-Auktionen auf 20,- Euro und lehnt eine Erhöhung wegen fehlendem Urhebervermerk ab. Der Verkaufserlös aus der eBay-Auktion begrenzt den Lizenzschaden. Wenn der Fotograf bereits mehrfach zuvor ähnlich gelagerte Fälle durch einen Rechtsanwalt hat abmahnen lassen, steht ihm auch kein Anspruch auf Erstattung von anwaltlichen Abmahnkosten zu.

Das OLG Hamm (13.09.2012 – I-22 W 58/12) verdoppelte den Lizenzschaden zur Ermittlung des Streitwerts und führt dazu aus: Das für die Bemessung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsbegehrens maßgebliche Interesse des Lichtbildners an der Durchsetzung seines Leistungsschutzrechts nach § 72 UrhG kann in Fällen, in denen es um die Verhinderung einer zeitlich begrenzten ungenehmigten Verwendung einzelner Fotos durch privat oder kleingewerblich tätige im Internet geht (hier: im Rahmen eines privaten eBay Angebots), mit EUR 900,00 angemessen bewertet sein. Regelstreitwerte von EUR 6000,00 erscheinen in derartigen Fällen nicht mehr als angemessen.

Das OLG Nürnberg (04.02.2013 – 3 W 81/13) nahm die doppelte Lizenzgebühr als Wert des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers an der Unterlassung der Verwendung von Produktfotografien für private Verkäufe über eine Internetausktion an und reduzierte den Streitwert von 9.000 € auf 900 €.

Das OLG Brandenburg, 22.08.2013 – 6 W 31/13, schließt sich der Rechtsprechung der vorgenannten OLGs grundsätzlich an, nach der Lizenzschaden die Berechnungsgrundlage für den Unterlassungsstreitwert ist. Der Lizenzsatz betragt jedoch im konkreten Fall nur 45 Euro, was dem OLG wohl bei einer Verdopplung zu niedrig erschien, weshalb sie den Betrag mit 10 multipliziert haben und so auf einen Unterlassungsstreitwert von 450,- Euro pro Foto kamen. Generalpräventive Erwägungen können bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtig werden, da alleine das wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgeblich ist, § 3 ZPO.

Das AG Köln hat in einer Entscheidung vom 01.12.2014 – AZ 125 C 466/14 bei einem Schadensersatzes von 20,00 EUR für ein Lichtbild den Unterlassungstreitwert auf 2.000,00 EUR festgesetzt. Zum Schadensersatz von 20 Euro pro Foto führt es aus:

Für die Fotos von Laien gibt es im Allgemeinen keinen Markt; lediglich ausnahmsweise werden in der Regel dann niedrigere Beträge gezahlt. Das zeigt die allgemeine Lebenserfahrung; sie wird aber auch durch den Umstand bestätigt, dass Stockagenturen, also Onlinemarktplätze, für Fotos, wie beispielsweise Fotolia.de Lizenzen für Fotos von Hobbyfotografen entweder gratis oder für wenige Euro, nur selten für mehr als 20,00 €, anbieten.

Zum Streitwert von 2.000 Euro statt geforderten 6.000 Euro führt das AG Köln aus:

Das Zuerkennen von Fantasiestreitwerten durch manche Gerichte ist auch deswegen abzulehnen, weil nach aller Lebenserfahrung der Urheberrechtsinhaber und Anwalt die „erbeuteten“ Beträge nach vereinbarten Quoten unter sich aufteilen, so dass eine Praxis gefördert wird, die mit Schadensersatzrecht sehr wenig zu tun hat.

Das OLG Celle lehnt in mit Beschluss vom 13.05.2016, Az. 13 W 36/16 die Verdopplung des drohenden Lizenzschadens zur Bemessung des Streitwerts bei fotorechtlichen Unterlassungsklagen ab und setzt lediglich den einfachen Lizenzschaden als Streitwert für den Unterlassungsanspruch fest. Das Gericht begründet diese Ansicht wie folgt:

Für eine (schematische) Verdopplung des Lizenzsatzes mit dem Ziel, dass weitere Verletzung in Zukunft verhindert werden sollen (so OLG Braunschweig, Beschluss vom 14. Oktober 2011 – 2 W 92/11, juris Rn. 4; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22. August 2013 – 6 W 31/13, juris Rn. 33 mit Faktor 10), fehlt es an einer ausreichenden Grundlage. Bei der Schadensberechnung im Rahmen des § 97 UrhG ist ein Verletzerzuschlag im Rahmen der Lizenzanalogie – mit Ausnahme der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugunsten der GEMA – abzulehnen. Dieser Grundsatz ist auf die Wertfestsetzung für den Unterlassungsanspruch zu übertragen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Bereits jetzt stellen viele Urheber den Verletzern eine Rechnung, statt einen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Die Begrenzung der Unterlassungsstreitwerte auf den doppelten Lizenzschaden dürfte es für Urheber schwieriger machen, einen Anwalt zu finden, der den Fall auf der Basis der RVG-Abrechnung übernimmt. Würde der Urheber die Rechtsverletzung an einem Foto bei einer eBay-Auktion über einen Anwalt verfolgen lassen von z.B. 150 Euro Lizenzschaden wegen Verletzung von § 19a UrhG und einen 100% Aufschlag wegen Verletzung von § 13 UrhG würden bei einem Streitwert von 300 Euro für die Abmahnung Anwaltskosten von 46,41 Euro inkl. MwSt. und Auslagenpauschale entstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Urheber einen Anwalt findet, der das Mandat für netto 32,50 Euro übernimmt, dürfte nicht sehr hoch sein. Wahrscheinlicher ist, dass der Anwalt das Mandat nur mit einer Honorarvereinbarung auf Stundensatzbasis übernimmt. Bei einem angenommenen Stundensatz von 240 Euro und zwei Stunden, aber bei einem Kostenerstattungsanspruch, der auf 100 Euro gemäß § 97 Abs. 2 UrhG begrenzt ist, ist die Hürde, eine Urheberrechtsverletzung anwaltlich verfolgen zu lassen, für den Urheber in diesem Bereich meist zu hoch, da der Erlös aus dem Lizenzschadensersatz nicht nur aufgezehrt wird, sondern nicht mal zur Deckung der Anwaltskosten ausreicht. Die Gefahr, dass er einen zusätzlichen finanziellen Schaden erleidet, ist zu groß. Wenn die Urheber – statt eine Unterlassungserklärung zu fordern und einen Schadensersatz geltend zu machen – nur eine Rechnung stellen, sind sie nicht durch die Vertragsstrafe vor künftigen Rechtsverletzungen geschützt und es fehlt jeglicher Sanktions- und damit Präventionseffekt beim Verletzer. Dies gilt erst recht wenn sich der Urheber noch nicht einmal die Mühe macht, eine Rechnung zu stellen.

Mal abgesehen von der Frage, auf der Grundlage welcher Vereinbarung die Rechnung gestellt werden soll, dürfte er auch das praktische Problem haben, dass er oft nicht die Adressdaten der Verletzer erfährt. Diese Situation hat nichts mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu tun – im Gegenteil. Es stellt sich sogar die Frage, ob diese Situation mit der Eigentums- und Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes vereinbar ist.

David Seiler, Rechtsanwalt

Der Beitrag ist erschienen in jurisPR-ITR 25/2011 Anm. 3
(hier wurde die Rechtsprechung in C. Kontext erweitert und aktualisiert)