Grundsatzurteil des BGH zum unwesentlichen Beiwerk – Möbelkatalog-Foto
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Grundsatzurteil (Urteil vom 17.11.2014, Az. I ZR 177/13 – dort auch mit Abbildung des Fotos) zur Frage gefällt, ob man die Zustimmung von Urhebers (Künstler, Maler) anderer Kunstwerke benötigt, die auf einem Foto zu erkennen sind. Es ging um die Frage, ob ein Gemälde, dass in einem Raum mit Büromöbel hängt und auf dem Möbelkatalogfoto des Büroraumes als Dekorationselement zu erkennen ist, ohne Zustimmung des Maler abgebildet werden durfte. Das ist dann der Fall, wenn es sich um ein „Beiwerk„, § 57 UrhG, handelt. Handelt es sich nicht um ein Beiwerk, sondern um einen zustimmungsbedürftige Vervielfältigung, ist die Abbildung des Kunstwerkes auf dem Foto lizenzpflichtig. Im Regelfall dürften die Rechte bei Werken der Bildenden Kunst über die Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst liegen, die Künstler in der Berufsgruppe 1 vertritt. Die VG Bild-Kunst bietet auf ihrer Webseite die Möglichkeit einer Suche nach den von ihr vertretenen Künstlern. Eine Besprechung des Urteils von Rechtsanwalt David Seiler ist als Beitrag in der Zeitschrift Photopresse Ausgabe 15/2015, S. 18. erschienen und nachstehend veröffentlicht.
Abfotografieren als Vervielfältigung, Beiwerk als Schranke
Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk, z.B. ein Gemälde, fotografieren will, vervielfältigt es urheberrechtlich gesprochen, § 16 Urheberrechtsgesetz – UrhG, und wer es auf eine Webseite stellen will, benötigt das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung, § 19 a UrhG.
Hierzu muss der Nutzer grundsätzlich den Urheber vorher um Erlaubnis fragen (Zustimmung). Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, nämlich in den Fällen, in denen der Gesetzgeber das Urheberrecht beschränkt und dem Nutzer eines urheberrechtlich geschützten Werkes ein Privileg eingeräumt hat (urheberrechtliche Schranke). Eine solche Schranke ist die in § 57 UrhG geregelte Ausnahme für unwesentliche Beiwerke:
„Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.“
BGH-Urteil zu Möbelkatalogfoto als Beiwerk
Über die Auslegung dieser Bestimmung musste der Bundesgerichtshof, BGH, im Fall eines Möbelkatalog-Fotos entscheiden. Das Foto zeigt moderne, gradlinige Büromöbel in weiß und schwarz in einem Raum zu einer Sitzgruppe vor einem Schreibtisch und einer Schrankwand arrangiert. Neben dem Schreibtisch ist ein großformatiges Gemälde mit kräftigen roten Farbflächen zu sehen. Der Kläger, Urheber des Gemäldes, hat mit dem Beklagten, Produzent von Büromöbeln, vereinbart, dass diese mehrere Werke des Künstlers ausstellen darf. Das Foto wurde sowohl im Möbelkatalog als auch auf der Webseite verwendet. Eine Zustimmung des Malers lag nicht vor.
Der Maler klagte auf Unterlassung der unberechtigten Nutzung sowie auf Auskunft über den Nutzungsumfang, um darauf gestützt sein Schadensersatzforderung beziffern zu können. Der Möbelhersteller hatte sich auf die Erlaubnis zur Ausstellung, § 18 UrhG, berufen und sich zudem damit verteidigt, dass es sich bei der Abbildung des Gemäldes um ein unwesentliches Beiwerk handelt und das Gemälde eine austauschbare Staffage darstelle.
Das OLG (Oberlandesgericht) hatte die Klage abgewiesen. Es hat das abgebildete Gemälde als unwesentliches Beiwerk angesehen, so dass seine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe zulässig sei. Das OLG hatte bei der Frage welches der eigentliche Gegenstand der Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe sei, auf den gesamten Möbelkatalog und den vollständigen Internetauftritt des Möbelherstellers abgestellt. Erkennbare Kunstgegenstände seien reine Staffage und ohne weiteres austauschbar.
Diese Auffassung ist der BGH nicht gefolgt, Urteil vom 17.11.2014, A. I ZR 177/13. Es hat einen Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruches wegen schuldhafter Urheberrechtsverletzung zuerkannt. Dazu hat es zunächst festgestellt, dass es sich bei dem Gemälde um ein Werk der bildenden Kunst handelt, § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz.
Wann liegt die Ausnahme „unwesentliches Beiwerk“ vor?
Um zu beurteilen, ob ein unwesentliches Beiwerk vorliegt, muss man zunächst den Hauptgegenstand bestimmen. Wenn man den Vergleichsgegenstand so weit definiert wie das OLG Köln (gesamte Möbelkatalog, vollständiger Internetauftritt), dann fällt der Schutz eines urheberrechtlichen geschützten Werkes umso geringer aus, je umfangreicher der gewählte Veröffentlichungskontext ist. Gesetzliche Schranken des Urheberrechts sind jedoch generell eng auszulegen, da der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes tunlichst angemessen zu beteiligen ist. Im Ergebnis kommt der BGH bei seinem engen Auslegungsmaßstab dazu, nur das konkrete Foto als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Dabei kommt es auf die Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters an. Ein Werk ist unwesentlich, wenn es weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele. Der BGH sieht ein Werk nur dann als unwesentlich an, wenn es neben dem Gegenstand der eigentlichen Abbildung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht. Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mit verwerteten Werk, dem Gemälde, im Regelfall dann nicht zu erkannt werden, wenn es erkennbar stilbildend oder stimmungsbildend ist oder die Wirkung oder Aussage des Bildes unterstreicht.
Diese Bewertungsmaßstäbe wendet der BGH nun auf das konkrete Foto an und kommt zu dem Ergebnis, dass das Gemälde im Verhältnis zu den abgebildeten Möbelstücken kein unwesentliches Beiwerk ist. Vielmehr setzt das Gemälde innerhalb der Fotografie einen deutlich kontrastierend, starken Farbakzent und unterstreicht dessen Wirkung.
Das OLG meinte, das Gemälde sei gegen ein beliebig anderes austauschbar. Auch dieser Auffassung ist der BGH nicht gefolgt. Wird das Beiwerk vom Betrachter als zum Gesamtkonzept des Bildes gehörig wahrgenommen, kommt es auf den Aspekt der Austauschbarkeit nicht mehr an.
Im konkreten Fall konnte der BGH nicht abschließend entscheiden, da der Sachverhalt zu dem Einwand, der Maler habe seine Zustimmung erteilt, noch nicht ermittelt wurde. Dies muss das OLG nachholen. Wenn der Maler seine Gemälde dem Büromöbelhersteller nur zu Ausstellungszwecken geliehen hat, ist damit genauso wenig wie beim Kauf eines Gemäldes ein über das Ausstellungsrecht, § 44 Abs. 2 UrhG, hinausgehendes Nutzungsrecht verbunden. Daher halte ich es für unwahrscheinlich, dass der Möbelhersteller über die behaupteten Nutzungsrechte verfügt.
Tipp: Rechte vor Veröffentlichung klären (lassen)!
Wollen Sie Fotos veröffentlichen, auf denen Gemälde oder andere Kunstwerke oder sonstige urheberrechtliche geschützt Werke zu erkennen sind, sollten Sie die Frage klären, ob Sie hierzu der Zustimmung der Urheber bedürfen. Der BGH hat an die gesetzliche Ausnahme vom Erfordernis sich bei einem „Beiwerk“ eine Zustimmung vom Urheber geben zu lassen, hohe Hürden aufgestellt. Falls Sie die Veröffentlichung ohne eine erforderliche Zustimmung vornehmen, kann der Urheber Unterlassung-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machen.
- Die BGH-Entscheidung macht deutlich, dass es bei dem Vergleichsmaßstab für die Unwesentlichkeit eines Bildelementes zum Hauptelement einzig auf das konkrete Bild und nicht dessen Veröffentlichungskontext (Gesamtkatalog, Webauftritt) ankommt.
- Da Beiwerke im Regelfall bewusst ausgewählt worden, um eine Aussage des Hauptmotiv zu unterstreichen, dürfte es schwer fallen, noch Beispiele für die engen vom BGH gesteckten Grenzen für ein unwesentliches Beiwerk zu finden. Daher ist es ratsam, auf die Beiwerke zu verzichten, oder sich eine Zustimmung der Rechteinhaber geben zu lassen.
RA David Seiler, Cottbus 28.10.2015
Fotorecht – Urteilsbesprechung
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