BGH zur Panoramafreiheit: AIDA-Kussmund und Mauerbilder – Teil 2

BGH zur Panoramafreiheit: AIDA-Kussmund und Mauerbilder – Teil 2

BGH zur Panoramafreiheit: AIDA-Kussmund und Mauerbilder – Teil 2

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Neues vom BGH zur Panoramafreiheit: AIDA-Kussmund und Mauerbilder – Teil 2

Unter Panoramafreiheit versteht man das Recht, das was man als Passant im öffentlichen Verkehrsraum an urheberrechtlich geschützten Gegenständen sieht, ohne Erlaubnis kostenfrei fotografieren und die Fotos – auch werblich – verwenden zu dürfen. Ob und inwieweit die Panoramafreiheit auf Kunstwerke, die auf Fahrzeugen, insbesondere auf einem Schiff angebracht sind, anwendbar ist, hat der BGH in der Entscheidung AIDA-Kussmund zumindest für ein Werk der bildenden Kunst, das dauerhaft auf dem Fahrzeug angebracht wurde, geklärt.

BGH-Urteil AIDA-Kussmund

In der bisher nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung AIDA-Kussmund – Urteil vom 27.04.2017, Az. I ZR 247/15 – hat der BGH in Abgrenzung zur Entscheidung Verhüllter Reichstag, Urteil vom 24.01.2002 zum Az. I ZR 102/99, entschieden, dass auch Kunstwerke, die auf Fahrzeugen – speziell auf Wasserfahrzeugen wie einem Kreuzfahrtschiff abgebildet sind, im öffentlichen Verkehrsraum, auch auf Wasserstraßen und in Häfen, fotografiert und die Fotos werblich im Internet verwendet werden dürfen. Die Entscheidung überrascht im ersten Moment, wenn man von der Mobilität der Fahrzeuge ausgeht und das Wort „bleibend“ im Gesetz liest, vgl. § 59 Urheberrechtsgesetz. Hier zeigt sich jedoch die juristische Interpretationskunst, die nicht nur auf den reinen Wortlaut, sondern auch auf den Sinn und Zweck der Regelung abstellt. Sinn und Zweck der Panoramafreiheit ist es, das Fotografieren im öffentlichen Verkehrsraum zu ermöglichen, ohne durch die unvermeidbar im Bild enthaltenen urheberrechtlich geschützten Werke wie Architekturwerke oder Statuen gehindert zu sein. Bleibend bedeute dabei nicht gleich „ortsfest“, sondern sich dauerhaft im öffentlichen Raum befindlich und gelte auch für Kunstwerke auf Fahrzeugen wie Busse oder LKWs, aber eben auch auf Fahrzeugen (Schiffen) im Wasser; das Gesetz spricht auch von Wasserstraßen. Fahrzeuge sind auch dann „bleibend“ im öffentlichen Raum, wenn sie vorübergehend dem öffentlichen Blick in einer Garage oder im Trockendock entzogen sind. Daher durfte ein Veranstalter von Landgängen in Ägypten auf seiner Webseite mit einem Foto des Kreuzfahrtschiffes AIDA werben, auf dem der als Kunstwerk eingeordnete „Kussmund“ von Feliks Büttner zu sehen ist.

Die Entscheidung dürfte eine große Erleichterung für Fotografen, Bildagenturen und Bildnutzer sein. Es bleibt aber noch offen, ob die Entscheidung auch für Kunstwerke oder Werbefotos auf Fahrzeugen gilt, die dort anders als der Kussmund auf der AIDA nur vorübergehend während der Dauer einer „Werbeschaltung“ angebracht sind.

David Seiler, Rechtsanwalt berät bundesweit zu Fragen des Fotorechts

Dieser Beitrag ist als Teil eines Artikels in der Zeitschrift Photopresse erschienen – Teil 1 zur BGH-Entscheidung Mauerbilder ist in einem früheren Betrag nachzulesen. Siehe auch meine weiteren Beiträge zum Stichwort „Panoramafreiheit“ – leicht aufrufbar über die Kategorie rechts von diesem Beitrag.

PHOTO Presse PP 07-2017, S. 18

update 17.08.2017:

Prof. Dr. Eike Ullmann, Vors. RiBGH a.D.
Anmerkung | Für die Freiheit des Panoramas gilt: „an“ ist „auf“ und „bleibend“ ist „dauernd“ | BGH v. 27.04.2017 – I ZR 247/15 | jurisPR-WettbR 8/2017 Anm. 3

Der Autor sieht die Panoramafreiheit im Spannungsfeld von geistigem Eigentum und Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die Aufstellung eines Kunstwerkes an öffentlichen Orten ringt zum Ausdruck, dass das Werk der Allgemeinheit gewidmet ist. Diese Zweckbestimmung rechtfertigt die Beschränkung des Urheberrechts an dem in der Öffentlichkeit aufgestellten Werkes, dahingehend, dass es jedermann abbilden (z.B. fotografieren, filmen) und die Abbildungen verwerten darf. Dies schließt die gewerbliche Verwertung ein und zwar auch in Form der öffentlichen Zugänglichmachung. Die Argumentation, die sich immerhin auf den Gesetzeswortlaut stützen kann, dass die Schranke der Panoramafreiheit (§ 59 UrhG) nur für Werke an und nicht für Werke auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen gelte wird als irrwitzig zurückgewiesen. Wege, Straßen oder Plätze ist keine abschließende, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung und „öffentlich“ sind sie, wenn sie jedermann frei zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie in Privateigentum oder öffentlichen Eigentum stehen. „Bleibend“ ist ein Werk auch dann im öffentlichen Raum, soweit es sich um verschiedene Orte handelt; bleiben meint als nicht „ortsfest“. Damit sind auch urheberrechtlich geschützte Fahrzeuge oder Werke der bildenden Kunst oder angewandten Kunst auf Fahrzeugen (Fahrzeug als Werbeträger), inkl. Seeschiffen auf Meeresstraßen, von der Panoramafreiheit erfasst. Interessant ist auch die Feststellung, dass es eine tatsächliche Vermutung dahingehend gibt, dass eine Aufnahme von einem öffentlich zugänglichen Ort aus gemacht worden ist, wenn das Foto eine Ansicht zeigt, die so für jedermann in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist. Der Rechteinhaber kann dem Fotograf oder Bildnutzer also nicht deshalb die Berufung auf die Panoramafreiheit kaputt machen, indem er bestreitet, dass die fragliche Aufnahme von öffentlichem Grund und Boden aus aufgenommen wurde.

Nach meiner Auffassung macht das Gesetz in § 59 UrhG ohnehin keine Aussage über den Aufnahmestandort, sondern nur über den Ort des Aufnahmeobjektes.

Der Autor sieht keine Notwendigkeit, die Frage dem EuGH vorzulegen, um sie auf die Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. h Richtlinie 2001/29/EG zu überprüfen.

Der Abschließende Hinweis auf das Marken- und Wettbewerbsrecht verdeutlicht, dass man nicht aus einer urheberrechtlichen Zulässigkeit auf eine generelle rechtliche Zulässigkeit schließen darf, sondern auch noch prüfen muss, ob die Fotografie fremder Werbung oder Werke zur Nutzung in der eigenen Werbung nicht eine markenmäßige Benutzung darstelle, die nach § 14 MarkenG der Zustimmung des Markeninhabers bedarf und ob nicht durch die Abbildung eines Markenzeichens eines anderen in der eigenen Werbung der irreführende Eindruck erweckt wird, es bestehe eine betriebliche Verbundenheit. Hierdurch kann eine wettbewerbswidrige Täuschung vorliegen, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 UWG, § 3 UWG.