Neues vom BGH zur Panoramafreiheit: Kussmund und Mauerbilder – Teil 1
Unter Panoramafreiheit versteht man das Recht, das was man als Passant im öffentlichen Verkehrsraum an urheberrechtlich geschützten Gegenständen sieht, ohne Erlaubnis kostenfrei fotografieren und die Fotos verwenden zu dürfen. Der Gesetzgeber drückt das im § 59 Urheberrechtsgesetz so aus:
„Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.“
Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei neueren Entscheidungen einige Auslegungsfragen geklärt, die an zwei ältere Entscheidungen anknüpfen: In der Friesenhaus-Entscheidung wurde festgestellt, dass ein vom Gehweg aus fotografiertes Gebäude in einem Werbeprosekt verwendet werden darf, ohne den Gebäudeeigentümer fragen zu müssen. In der Entscheidung Verhüllter Reichstag stellte der BGH klar, dass ein bestimmungsgemäß nur vorübergehend installiertes Kunstwerk – der von Christo verhüllte Reichstag – zwar für die Tagesberichterstattung abgebildet werden darf, stilisierte Abbildungen auf Münzen oder Postkarten jedoch nicht von der Panoramafreiheit gedeckt sind, da das Werk nicht „bleibend“ war.
Panoramafreiheit und Mauerbilder: East Side Gallery-Urteil vom 19.01.2017 zum Az. I ZR 242/15
In der Entscheidung East Side Gallery ging es darum, dass ein Immobilienmakler Wohnungen im Internet mit einem Foto vermarktete, das Gemälde an der Berliner Mauer auf einem Architekturmodell der Wohnanlage zeigte. Auf die im Architekturmodell nachgebildete Mauer war ein ausgeschnittenes Foto der Gemälde aufgeklebt, wobei die ebenfalls bemalte Mauerkrone und der Sockel nicht mit abgebildet wurden.
Der BGH hat hierzu festgestellt, dass – wie schon in der Friesenhaus-Entscheidung – die im Rahmen der Panoramafreiheit aufgenommenen Fotografien auch gewerblich vervielfältigt, verbreitet und öffentlich – auch im Internet – wiedergegeben werden dürfen. Die Vervielfältigung eines Werkes in dreidimensionaler Form ist jedoch unzulässig. Das Aufkleben des Fotos von den Gemälden auf die Mauer im Architekturmodell macht aus dem Foto jedoch noch keine dreidimensionale Vervielfältigung, zumal wenn davon wiederum ein Foto gemacht und dieses genutzt wird. Die Vervielfältigung des wesentlichen und in sich unveränderten Teils der senkrechten Mauerbilder ohne den ebenfalls mit bemalten Sockel und die Mauerkrone verstößt nicht gegen das Verbot, ein Kunstwerk zu verändert.
David Seiler, Rechtsanwalt berät bundesweit zu Fragen des Fotorechts
Dieser Beitrag ist als Teil eines Artikels in der Zeitschrift Photopresse erschienen – Teil 2 zur BGH-Entscheidung Kussmund folgt in einem gesonderten Betrag.
PHOTO Presse PP 07-2017, S. 18