Das Recht am eigenen Bild (Bildnisrecht) gehört zu den wichtigsten fotorechtlichen Themen. Das Urteil des OLG Frankfurt vom 21.04.2016, Az.: 16 U 251/15 gibt Gelegenheit die Grundbegriffe des Bildnisrechts Anhand von Personenaufnahmen bei Versammlungen darzustellen.
Das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz
Eingeführt wurde das Recht am eigenen Bild 1907 nachdem zwei Fotografen in Sterbezimmer von Bismarck eingedrungen waren und seine Leiche fotografiert hatten. Bis dahin gab es kein spezielles Gesetz zu Personenfotos. Abbildungen, auf denen Personen zu erkennen sind, nennt man Bildnisse. Es ist rechtlich unerheblich, mit welchem Medium das Bildnis geschaffen wurde, ob per Foto, Porträtgemälde, Film, Skulptur oder einem sonstigen Abbildungsmedium. Geregelt ist das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz, kurz KUG, in den §§ 22, 23 KUG.
Der Grundsatz im Recht am eigenen Bild: die Einwilligung
Bildnisse dürfen im Regelfall nur mit Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, § 22 KUG. Einwilligung ist die vorherige Zustimmung. Die Einwilligung ist an keine besondere Form gebunden. Sie kann ausdrücklich, z.B. durch Unterschrift auf einem Model-Release abgegeben werden oder durch schlüssiges Verhalten – sogenannte konkludente Einwilligung – indem z.B. jemand für einen Zeitungsreporter posiert. Hat jemand dafür, dass er oder sie sich abbilden ließ eine Entlohnung erhalten, nimmt der Gesetzgeber an, dass damit im Gegenzug die Einwilligung erteilt wurde. Die Entlohnung muss nicht in Geld erfolgen. Auch die sogenannte TFP (Time for Picture) Vereinbarung stellt eine Entlohnung dar: das Model posiert für den Fotografen und erhält als Entlohnung für seine Zeit ein paar Fotos. Das Problem bei konkludenten und mündlichen Einwilligungen ist, dass sie nur schwer beweisbar sind und leicht Streit darüber entstehen kann, wofür die Einwilligung erteilt wurde, wie weit sie reicht und ob sie widerrufen werden kann. So kam es auch zum Gerichtverfahren, welches hier dargestellt wird.
Die Ausnahmen von der Notwendigkeit eine Einwilligung einzuholen: Bildnis bei Versammlungen?
Von dem Erfordernis einer Einwilligung gibt es im Interessen der Informations-, Abbildungs-, Meinungs- und Kunstfreiheit vier wichtige Ausnahmen in § 23 Abs. 1 KUG.
- Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte,
- Personen als Beiwerk zu einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit,
- Bilder von Versammlungen, Aufzügen oder ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellte Person teilgenommen hat und
- Bildnisse im höheren Interesse der Kunst
dürfen ohne Einwilligung verbreitet und veröffentlicht werden. Wenn einer der Ausnahmen vorliegt, ist eine Abwägung mit den berechtigten Interessen der abgebildeten Personen vorzunehmen, § 23 Abs. 2 KUG.
Für den Fall wichtig ist das genaue Verständnis der Ausnahme für Versammlungsfotos, worunter auch Fotos von Kundgebungen und Demonstrationen zählen: ohne Zustimmung zulässig sind Bilder von Versammlungen, die also die Versammlung als solches zeigen, an denen die Fotografierten teilgenommen haben. Es gibt keine Erlaubnis für Einzel-Fotos von Personen, die an einer Versammlung teilnehmen. Kurz: Überblicksaufnahme ist ok, Porträt von Demoteilnehmer nicht.
Da diese Regelungen lange vor in Kraft treten des Grundgesetzes und der europäischen Grundrechtscharta entstanden sind, hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des europäischen Gerichtshofes zur Auslegung der Regelungen des KUG in Anbetracht der Grundrechte ein abgestuftes Schutzkonzept entwickelt. „Danach dürfen Bildnisse einer Person ohne deren Einwilligung nach § 23 Abs. 1 KUG ausnahmsweise verbreitet werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und durch die Verbreitung die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden, § 23 Abs. 2 KUG. Dabei erfordert schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten … einerseits und dem Recht der Presse und Informationsfreiheit … anderseits.“ Der Begriff des Zeitgeschehens ist weit auszulegen. „Er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse, nicht nur Vorgänge von historischer Bedeutung.“ Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext mit der Wortberichterstattung zu ermitteln.
Der Fall: Ausschnitt aus einem Demofoto
Der Kläger nahm in Frankfurt an einer Demonstration gegen das Töten von Delfinen in Japan teil. Dabei wurde unter anderem ein Foto gemacht, auf dem der Kläger mit weiteren Personen zu sehen ist, wie er einer Aufführung bei der Demonstration zusieht. Zu der Demo hatte u.a. Wiki-Leaks-Forum, dessen Mitgründer der Kläger war, aufgerufen. Der Beklagte hat aus dem Foto einen Ausschnitt gemacht, auf dem nur der Kläger zu sehen ist. Diesen Ausschnitt hat er u.a. auf seinem Twitter-Account veröffentlicht. Das Foto ist zudem in unterschiedlichen Internetforen zu sehen. Der Beklagte hat sich in seinem Posting nicht mit der Demo, auf der das Ursprungsfoto entstanden ist, sondern mit der Rolle des Klägers bei Wiki-Leaks-Forum auseinander gesetzt. Der Kläger hat keine Fotos von sich im Internet veröffentlicht. Lediglich das Ursprungsfoto sei im Rahmen einer Facebook-Meldung mit 73 anderen Fotos veröffentlicht worden. Der Beklagte behauptet, der Kläger habe in die Nutzung des Fotos eingewilligt, jedenfalls sei die Einwilligung konkludent erteilt worden, da er das Foto selbst im Internet veröffentlicht habe.
Das OLG Frankfurt entscheid, dass ein Bildnis nicht dadurch zum allgemeinen Gebrauch freigegeben wird, weil der Abgebildete sich im einem öffentlichen Raum bewegt und weiß, dass dort Fotos gefertigt werden. Die Teilnahme an einer Demo hat den Zeck, die eigene Überzeugung kund zu tun und die Ziele der Veranstaltung zu unterstützen. Ein Gesamtfoto von der Kundgebung hätte im Rahmen der Berichterstattung über die Kundgebung ohne Zustimmung verwendet werden dürfe. Der Beklagte kann sich mit seinem Blog und Twitteraccount nicht auf die Pressefreiheit berufen, zumal es ihm in seinem Beitrag um die Person des Kläger und seiner Rolle im Wiki Leaks Forum ging und nicht um die Berichterstattung über die Demo. Eine konkludente Einwilligung des Klägers kommt also nicht in Betracht. Außerdem kann sich der Beklagte nicht auf eine der Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis in § 23 KUG berufen. Der private Beitrag des Beklagten im Internet bezog sich nicht auf ein Ereignis der Zeitgeschichte, sondern betrifft eine persönliche Auseinandersetzung der Beteiligten. Die Veröffentlichung des Fotos des Klägers war auch nicht erforderlich, um den mit dem Wortbeitrag verfolgten Informationsgehalt zu transportieren.
Da das Foto dem Namen des Klägers zugeordnet wurde, wären außer Ansprüchen wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild auch Ansprüche wegen Datenschutzrechtsverletzung denkbar gewesen.
Der Beklagte wurde zur Unterlassung der Nutzung des Bildnisses des Klägers verurteilt und muss die Kosten aus dem Streitwert von 30.000 Euro tragen – bei zwei Gerichtsinstanzen, den eigenen und gegnerischen Anwalts- und Gerichtskosten sind das rund 14.500,- Euro.
Rechtsanwalt David Seiler
Veröffentlicht in: PHOTO Presse PP 12-2016, S. 24 – 25