Datenschutzrecht und Fotografie in der Praxis der Datenschutzaufsicht – Teil 2

Datenschutzrecht und Fotografie in der Praxis der Datenschutzaufsicht – Teil 2

Datenschutzrecht und Fotografie in der Praxis der Datenschutzaufsicht – Teil 2

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Datenschutzrecht und Fotografie in der Praxis der Datenschutzaufsicht – Teil 2

Datenschutzaufsicht zu Artikel 9 DSGVO – Besondere Arten personenbezogener Daten oder dürfen: Pfarrer und die Blumenkinder nicht mehr fotografiert werden!?

Die rechtliche Zulässigkeit, personenbezogene Daten zu verarbeiten, z.B. indem man eine Person erkennbar fotografiert, kann sich aus einer Einwilligung (z.B. Model-Release), Art. 6 Abs. 1a) DSGVO, einem Vertrag (z.B. Model-Vertrag), Art. 6 Abs. 1b) DSGVO, oder aus berechtigten Interessen (z.B. Berichterstattungsinteresse) ergeben. Gerade die berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO sind ein wichtiges „Einfallstor“ für die Fallgruppen, die sich in über hundertjähriger Rechtsanwendung und Rechtsprechung zu den Ausnahmen von der Einwilligungserfordernis nach § 23 Kunsturhebergesetz (KUG) entwickelt haben. Enthalten die Aufnahmen jedoch „besondere Kategorien von personenbezogenen Daten“, Art. 9 Abs. 1 DSGVOist die Abwägungsklausel der berechtigten Interessen versperrt. Es ist dann praktisch nur noch die Rechtfertigung durch Einwilligung oder Vertrag praktisch möglich. Als besonders sensibel angesehen werden Informationen zu „rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder weltanschauliche Überzeugung oder aus der die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgeht. Ebenso sind die Informationen zur Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung mit besonderer Vertraulichkeit zu behandeln.“

Wenn ich eine Person auf einem Foto sehe, erkenne ich zumindest die rassische und ethnische Herkunft. Mit dieser strengen Auffassung wäre bei allen Personenfotos die Rechtfertigung „berechtigte Interessen“ entzogen. Dies hätte unhaltbare Konsequenzen zur Folge. Die Landesdatenschutzaufsicht Thüringen beantwortet meine dahingehende Frage damit, dass es auf die Zwecke der Nutzung der Fotos ankommt und dieser Zweck mit Blick auf die sensiblen Daten einen besonderen Schutz erfordert.

Selbst wenn Fotos in Kirchen z. B. bei einer Hochzeit oder auf kirchlichen Prozessionen gemacht werden, können hierdurch nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die religiöse Überzeugung jedes Einzelnen gemacht werden (Anm. zumindest aber auf die des Geistlichen). Gleiches gilt für die Fotoaufnahmen von Demos oder des Cristopher Street Day. Nicht zwangsläufig kann man hier auf besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO der einzelnen Person schließen. Auch wenn der Großvater im Rollstuhl sitzt, kann nur mittelbar ein Rückschluss auf den Gesundheitszustand des Betroffenen gezogen werden. Hierbei muss auch auf den Verwendungszusammenhang abgestellt werden. Erst die Verwendung durch bestimmte Personen oder Stellen zu bestimmten Zwecken begründet die besondere Schutzwürdigkeit der Daten[]. Die Zweckrichtung bei solchen Fotos liegt meist ganz woanders, nämlich in der Öffentlichkeitsarbeit oder der Erinnerung an ein Familienfest. Daher sollte auch immer mit einbezogen werden, welcher vorrangige Zweck durch die Fotos erfüllt werden soll.“

So sehr ich das Ergebnis ja als pragmatische Entspannung begrüße, so wenig überzeugt es mich juristisch. Denn z.B. würde das Pressefoto eines Gewerkschaftsmitgliedes, welches eindeutig an entsprechenden Umhängen und Plakaten zu erkennen ist, besondere Kategorien personenbezogener Daten enthalten. Aber da die Rechtsgrundlage „berechtigtes Interesse“ gesperrt wäre, würde diese Norm der DSGVO nicht angewandt, da ein legitimer Zweck – Presseberichterstattung – angestrebt wird.

Die Antwort der Datenschutztaufsicht führt weiter aus:

Sofern Kinder abgebildet werden, überwiegen deren schutzwürdige Interessen die berechtigten Interessen, da die DSGVO gerade Kinder hinsichtlich der Verarbeitung von deren Daten unter besonderen Schutz gestellt hat.“

Soll das umgedreht nun bedeuten, dass man bei einer Hochzeit keine Kinder mehr fotografieren darf, auch die Blumenmädchen nicht, oder bei einer Taufe keine die Täuflinge?

Auch hier wird man die „Kirche im Dorf“ lassen müssen, um mit gesundem Menschenverstand zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. Privatpersonen, die für sich privat fotografieren, z.B. Verwandte für die Brautleute, fallen ohnehin nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO (solange sie die Fotos nicht etwa auf Facebook posten und damit öffentlich machen – sogenannte Haushaltsausnahme, Art. 2 Abs. 2c) DSGVO). Professionelle Fotografen fotografieren im Auftrag des Brautpaares oder der Eltern des Täuflings und können sich auf den Vertrag (Auftrag, Art. 6 Abs. 1b) DSGVO) und auf die berechtigten Interessen ihres Auftraggebers an Erinnerungsfotos sowie auf „vernünftige Erwartung der betroffenen Personen“ (Erwägungsgrund 47 der DSGVO) beziehen. Somit nehmen die Personen einer Hochzeitsgesellschaft oder einer sonstigen Feierlichkeit in der Erwartung daran teil, dass die Veranstaltung auch fotografisch für den Veranstalter (die Brautleute) dokumentiert wird.

Die Datenschutzaufsicht zeigt aber auch die rechtlichen Grenzen auf:

Auch führen Fotos die heimlich gemacht wurden, die Intimsphäre des Betroffenen erfassen oder jemanden in einer Situation darstellen, die diskreditierend sein kann oder die Gefahr der Diskriminierung birgt zum Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen.“

Auf das Ergebnis kommt man auch mit Gespür, gesundem Menschenverstand und Anstand: Liegt z.B. ein betrunkener Hochzeitsgast besudelt in der Ecke verbietet es nicht nur der Anstand mit der Kamera darauf zu halten und gar die Bilder auf Facebook zu stellen, sondern auch das Datenschutzrecht.

Datenschutzaufsicht zu Fotografie und Datenschutz

Diejenigen, welche sich über die hier dargestellten Aspekte generell zum Thema Fotografie und Datenschutz informieren wollen, verweist die Aufsichtsbehörde aus Thüringen auf ihre Ausführungen zum Umgang mit Fotoaufnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit von Vereinen.2 Die Landesdatenschutzaufsicht Brandenburg hat eine Publikation mit dem Titel „Verarbeitung personenbezogener Daten bei Fotografien – Rechtliche Anforderungen unter der DSGVO“ herausgebracht.Das ULD Schleswig-Holstein veröffentlicht in der Praxisreihe 6 den Titel „Fotos und Webcams“.Die LDA Baden-Württemberg hat eine „FAQ Fotografieren und Datenschutz“ veröffentlicht.Niedersachsen veröffentlicht ein Merkblatt Personenfotografie.Die LDA Bayern veröffentlicht Informationen zum Datenschutz bei Fotografie im Verein7, eine Kurz-Info 16 zum Fotografieren in der Öffentlichkeitsarbeit bayrischer Kommunenund den Vermerk „Erstellung und Verwendung von Schülerfotos“.Die Datenschutzaufsicht Hamburg hat einen umfangreichen Vermerk zu „Rechtliche Bewertung von Fotografien einer unüberschaubaren Anzahl von Menschen nach der DSGVO außerhalb des Journalismus“ veröffentlicht,10 in dem sie u.a. auf die Ausnahmen von Informationspflichten eingeht. (Update) Jüngst hat die LDA Sachen-Anhalt Infos zum Fotografieren bei Schulveranstaltungen veröffentlicht.1

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Harald von Bose, äußert sich gegenüber der dpa:

„Wenn die Fotos von den eigenen Kindern im familiären Bereich bleiben, kann man diese bedenkenlos machen. Das war so und ist so. Diese schöne Praxis macht der Datenschutz nicht kaputt.“

Damit dürften sich die meisten praktischen Fragen beantworten lassen. Bei speziellen Fragen gibt es noch die Möglichkeit, sich an spezialisierte Rechtsanwälte zu wenden.

David Seiler, Rechtsanwalt

veröffentlicht in Photopresse 05-2019, 12-13, online aktualisiert