Rechtswidrige Werbefoto- und Videoveröffentlichung auf Facebook: KUG oder DSGVO?

Rechtswidrige Werbefoto- und Videoveröffentlichung auf Facebook: KUG oder DSGVO?

Rechtswidrige Werbefoto- und Videoveröffentlichung auf Facebook: KUG oder DSGVO?

Fotokamera Agfa Synchro Box, Werbefoto, Facebook, Beweisbarkeit der Einwilligung, KUG, DSGVO, Medienprivileg, Friseur

Streit um das anzuwendende Recht: KUG oder DSGVO?

Seit Geltung der EU-Datenschutzgrund-Verordnung (kurz: DSGVO) ab dem 25.05.2018 ist die Frage praktisch relevant, ob bei Fotografien von Personen das alte Kunsturhebergesetz (KUG) von 1907 zur Anwendung kommt oder das neue Datenschutzrecht. Die Frage ist derzeit sehr umstritten und wird auch unter Juristen und Datenschützern heftig diskutiert (siehe PP 07-2018, S. 14 – 15).

Einer der Unterschiede ist, dass nach KUG eine Einwilligung grundsätzlich nicht, sondern nur in Ausnahmefällen widerrufen werden kann, jedoch eine nach DSGVO erteilte Einwilligung jederzeit und ohne Angaben von Gründen frei widerrufen werden kann (Art. 7 Abs. 3 DSGVO).

Der Bundesgesetzgeber beharrt, entgegen starker anderer Stimmen – u.a. von den Datenschutzaufsichtsbehörden – auf der Auffassung, dass das KUG weiter gelte und anzuwenden sei und von Art. 85 DSGVO gedeckt wäre. Etwaige Zweifelsfälle soll die Rechtsprechung klären und helfen, die gerade auch in der Fotobranche weit verbreitete Rechtsunsicherheit zu reduzieren.

Exkurs:

Der Landtag in Schleswig-Holstein hat durch den Innen- und Rechtsausschuss zunächst eine schriftliche Anhörung zum Thema Rechtssicherheit beim Fotografieren in der Öffentlichkeit durchgeführt. Ich wurde eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben. Dies habe ich gerne auch im Namen und mit Unterstützung renommierter Verbände der Fotobranche getan. Meine Stellungnahme ist online abrufbar. Insgesamt sind unter dem o.a. Link 10 Stellungnahmen abrufbar. Es geht um das Verhältnis des Kunsturhebergesetzes, KUG zur EU-Datenschutzgrundverordnung, DSGVO und dort insbesondere Art. 85 DSGVO, der verkürzt auch als Medienprivileg bezeichnet wird.

Alle Dokumente zur Anhörung und die Liste der Anzuhörenden sind online zu finden.

Dass die Hoffnung, die Rechtsprechung werde die vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommene Rechtsunsicherheit schon beseitigen, nicht immer aufgeht, zeigt der hier zu besprechende Fall. Das Gericht hat sich nämlich elegant um die Entscheidung der Grundsatzfrage herumgedrückt, da es den Fall auch ohne deren Beantwortung klären konnte.

Werbefotos und -videos von Haarverlängerung auf der Facebook-Seite eines Friseursalons

Eine Frau nahm einen Friseurtermin wahr. Bei diesem Termin erhielt sie eine Haarverlängerung. Dabei wurde sie fotografiert und gefilmt. Es besteht Streit darüber, ob sie in das Fotografieren eingewilligt hat – wie der Friseur behauptet – oder – wie sie sagt – dem ausdrücklich widersprochen hat. Zudem seien heimlich Videoaufnahmen von ihr gemacht worden. Kurze Zeit nach der Behandlung stellte die Frau fest, dass der Friseursalon sowohl Fotos als auch ein Video von ihr auf seine Facebook-Fanpage online gestellt hat. Sie verlangte persönlich im Salon, dass beides gelöscht wird. Der Salon löschte daraufhin lediglich die Fotos, aber nicht das Video. Das Video wurde auch nicht nach einer anwaltlichen Abmahnung gelöscht und – aus Sicht des Friseurs, der meinte sich aufgrund einer Einwilligung im Recht zu befinden, konsequent – auch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Das LG Frankfurt untersagte im Eilverfahren in einer einstweiligen Verfügung dem Friseursalon Bildnisse der Klägerin in Form von Fotos oder Videos öffentlich zur Schau zu stellen und erlegte dem Salon die Kosten auf (Beschluss LG Frankfurt vom 27.07.2018). Gegen diesen Beschluss hat der beklagte Friseursalon Widerspruch eingelegt, so dass das LG Frankfurt nun Gelegenheit hatte, seine Rechtsauffassung ausführlicher darzustellen und zu begründen (Urteil vom 13.09.2018 zum Az. 2-03 O 283/18).

Urteil des Landgerichts Frankfurt zu KUG, DSGVO und Werbevideo auf Facebook

Das LG Frankfurt kam zum Ergebnis, dass das Werbevideo ohne Einwilligung der abgebildeten Frau (Klägerin) erfolgt und damit rechtswidrig ist, die einstweilige Verfügung also zurecht erging. In seiner Begründung argumentiert das Gericht zweigleisig, indem es die Frage der Zulässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit parallel sowohl nach altem Recht (KUG) als auch nach neuem Recht (DSGVO) untersucht.

Personenfoto: Bildnis und personenbezogenes Datum

Die erste Grundaussage des Urteils ist, dass es sich bei einem Foto oder Video von einer erkennbaren Person um ein Bildnis, § 22 KUG, und um personenbezogene Daten, Art. 4 Nr. 1 DSGVO, handelt. Die DSGVO ist auch anwendbar, weil die Aufnahmen im gewerblichen Kontext und nicht rein privat genutzt wurden, so dass die Haushaltsausnahme (sind die Aufnahmen nur für den Privathaushalt, ist Datenschutzrecht nicht anwendbar) nicht greift, Art. 2 Abs. 2c) DSGVO.

Durch das Einstellen des Videos auf die Facebook-Fanpage wurde das Bildnis veröffentlicht, § 22 KUG, und das personenbezogene Datum verarbeitet, Art. 4 Nr. 2 DSGVO.

Beweisbarkeit der Einwilligung

Diese Veröffentlichung war unzulässig, weil die nach § 22 KUG i. V. m. Art. 85 DSGVO sowie nach Art. 6 Abs. 1a) DSGVO i. V. m. Art. 7 DSGVO erforderliche Einwilligung vom beklagten Friseursalon nicht nachgewiesen werden konnte.

Hier zeigt sich das Grundproblem des Falles aus Sicht des Friseursalons: Er konnte die im Rahmen der Verteidigung gegen die einstweilige Verfügung vorgetragene Behauptung, die Klägerin habe in die Aufnahmen und in deren Verwendung zu Werbezwecken auf Facebook eingewilligt, nicht nachweisen. Selbst wenn mit Zeugenaussagen der Beweis gelungen wäre, dass sie – entgegen ihrer Behauptung – das Fotografiert- und Gefilmtwerden geduldet hätte, also darin durch schlüssiges Verhalten (konkludent) eingewilligt hätte, wäre das noch lange kein Beweis dafür, dass dadurch auch die werbliche Nutzung – statt z.B. der internen Nutzung zu Schulungszwecken – zugestimmt worden wäre. Dies gilt umso mehr, als die werbliche Nutzung auf der für guten Datenschutz nicht gerade berühmten US-Social-Media-Plattform Facebook erfolgt ist.

Wäre der Beweis – bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren genügt die Glaubhaftmachung, z. B. durch eidesstattliche Versicherungen – gelungen, dann hätte sich das Gericht entscheiden müssen, ob die Klägerin die einmal erteilte Einwilligung wirksam hätte widerrufen können, weil DSGVO anwendbar ist, als sie den Friseur zur Löschung ihrer Fotos und Videos aufgefordert hat. Bei Anwendung des KUG wäre im Regelfall jedoch kein Widerruf möglich.

Das Gericht prüft die Vorrangigkeit des DSGVO

Das Gericht bleibt aber nicht bei der Prüfung der Rechtsgrundlage der Einwilligung stehen wie so viele, die Verunsicherung beim Stichwort Fotografie und DSGVO verbreiten. Vielmehr prüft das Gericht, ob ein berechtigtes Interesse als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, Art. 6 Abs. 1f) DSGVO. Interessant ist die Ansicht des Gerichts, wonach die Grundsätze und Rechtsprechung zum Recht am eigenen Bild nach KUG bei der Abwägung der Interessen nach Art. 6 Abs. 1f) DSGVO zu berücksichtigen sind – so auch meine (erschienen in Photopresse 03-2018, S. 18 – 19) geäußerte Auffassung. Das Gericht tendiert also – m. E. zurecht – dahin, das KUG nicht mehr alleine anzuwenden, sondern vorrangig die DSGVO anzuwenden und dabei die zum KUG ergangene Rechtsprechung bei der Anwendung und Auslegung der DSGVO – insbesondere der berechtigten Interessen – zu berücksichtigen.

Im konkreten Fall überwiegen die Interessen der Klägerin gegenüber dem Werbeinteresse des Friseurs. Zwar lässt das neue Datenschutzrecht im Prinzip die Nutzung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung zu, aber dadurch lässt sich nicht die Veröffentlichung eines Werbevideos rechtfertigen. Mit Direktwerbung ist die Werbung direkt gegenüber der Person, deren Daten dazu genutzt werden, gemeint. Das Video wurde aber zur Werbung gegenüber der Allgemeinheit auf einer öffentlichen Facebook-Seite verwendet. Bei der Auslegung der berechtigten Interessen ist die berechtigte Erwartung der betroffenen Person zu berücksichtigen (Erwägungsgrund 47 der DSGVO). Wer zum Friseur geht, muss nach Auffassung des Gerichts nicht damit rechnen, dass sein Besuch gefilmt und der Film zu Werbezwecken im Internet verwendet wird.

Die einstweilige Verfügung war zu Recht erlassen worden, weil ein Unterlassungsanspruch besteht. Dies ist dann der Fall, wenn eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Diese wird vermutet, wenn bereits einmal eine rechtswidrige Handlung erfolgt ist. Durch Unterzeichnung (Abgabe) eines Vertrages, in dem der Friseur die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall einer erneuten Rechtsverletzung verspricht (sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung) hätte die Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden können.

Lehren aus dem Fall: Schriftliche Vereinbarung

Der Salon behauptet, die Klägerin sei ein Haarmodell und zu seinem Haarmodell-Termin in den Salon gekommen. Es ist durchaus üblich, dass sich Personen zu Übungszwecken für Lehrlinge bereitstellen und im Gegenzug nicht für den Haarschnitt bzw. die Behandlung bezahlen müssen. Aber auch in diesem Fall hätte das Modell nicht mit einer Werbeveröffentlichung eines Videos von sich rechnen müssen. Dass sie darin eingewilligt hat, hätte der Friseursalon beweisen müssen.

Und damit sind wir bei der praktischen Lehre aus dem Fall: Wer seine Leistung (z. B. Haareschneiden, Fotografieren) einer Person gegenüber unentgeltlich erbringt und dafür von dieser Person erwartet, dass dabei entstandene Foto- oder Filmaufnahmen werblich / für die Eigenwerbung quasi im Rahmen eines Tauschgeschäftes genutzt werden dürfen, sollte dies aus Beweisgründen schriftlich festhalten. Eine Form des Tauschgeschäfts sind TFP-Vereinbarungen (Time for Pictures), bei denen ein Model sich und seine Zeit zur Verfügung stellt und der Fotograf Bilder meist für Zwecke der Eigenwerbung machen darf, im Gegenzug dem Model aber auch Fotos zu dessen Eigenwerbung zur Nutzung überlässt.

Die Form einer einseitigen Einwilligung zu wählen, ist nicht empfehlenswert, da diese – wenn man die DSGVO anwendet – frei widerrufbar ist. Vorzugswürdig ist hingegen eine Vereinbarung, aus der Leistung und Gegenleistung hervorgehen, also dass das Model dem Vertragspartner das Recht einräumt, Aufnahmen von sich in einer konkret zu bezeichnenden Weise zu nutzen und im Gegenzug hierfür einen kostenlosen Haarschnitt, Fotoabzüge oder was auch immer die Parteien vereinbaren, erhält.

Zusätzlich sind die Informationspflichten nach der Datenschutzgrundverordnung, Art. 13 DSGVO, zu erfüllen und zwar sowohl bei der Einwilligung als auch bei der Vertragslösung.

David Seiler, Rechtsanwalt, Datenschutzbeauftragter, Lehrbeauftragter IT-Security Law

Datenschutzbeauftragter, Cottbus, den 26.10.2018

erschienen in Photopresse 11-2018, S.12- 13