2.500 Euro Geldentschädigung für Babyfotos im Internet

2.500 Euro Geldentschädigung für Babyfotos im Internet

2.500 Euro Geldentschädigung für Babyfotos im Internet

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Schmerzensgeld / Entschädigung für Publikation von Babyfotos auf einer Webseite

Es gibt Fotografen bzw. Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, in Geburtskliniken Neugeborenen-Fotos zu erstellen. Dabei wird standardmäßig abgefragt, ob die stolzen Eltern damit einverstanden sind, dass – evtl. auch welches – Foto des Babys in der Online-Babybilder-Galerie der Klinik veröffentlicht wird. Nun sind die Geschmäcker was die Namenswahl anbetrifft doch sehr verschieden, und das, was einer für eine originelle Idee hält, setzt das Kind nach Meinung der anderen der Lächerlichkeit preis. So war dann auch der Name eines Babys Anlass für eine Berichterstattung über die konkrete Namensgebung und die Diskussion im Internet zu der Namenswahl. Dabei wurde das in der Online-Galerie des Krankenhauses abrufbare Babyfoto auf der Webseite der Online-Zeitung mit veröffentlicht.

Baby klagt am OLG Dresden wegen Fotorechtsverletzung

Hiergegen klagte das Baby, vertreten durch seine Eltern. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden erlies am 17.07.2018 einen Beschluss (Az. 4 U 1234/17), in dem es dem Baby Prozesskostenhilfe bewilligte und vor allem den Parteien einen Vergleich vorschlug, der eine Unterlassungsverpflichtung der Online-Zeitung gegen Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe enthielt und eine Zahlung von 1.500 Euro vorsah.

Das OLG stellte in seinem Beschluss im Eilrechtsverfahren fest, dass die Freigabe des Babyfotos durch die Eltern zur Veröffentlichung in der Online-Galerie der Klinik eine öffentliche Zurschaustellung durch die Online-Zeitung auf deren Webseite nicht entfallen lässt. Auch unerheblich ist, ob sich die Online-Zeitung darauf berufen kann, dass ihr gegen den Fotografen / die Fotografin möglicherweise die Einschränkung des Urheberrechts zugunsten der Tagesberichterstattung nach § 50 UrhG zusteht. Wenn die Eltern die Veröffentlichung des Babyfotos auf der Klink-Webseite erlaubt haben, bedeutet das noch lange nicht, dass auch andere (Dritte) das Bild im Internet auf ihren Webseiten zeigen dürfen. Die Einwilligung der Eltern ist eng auszulegen. Die Einwilligung kann nicht so verstanden werden, dass die Eltern durch die auf ein einziges Online-Portal, die Klinik-Webseite, bezogene Einwilligung jegliche Verfügungsgewalt und Kontrolle über den Kontext, in dem das Bild weiterverarbeitet wird, verlieren bzw. aufgeben wollen. Daran ändert auch die Tatsache, dass die Babyfoto-Galerie auf der Klinik-Webseite ohne technische Zugangssperre erreichbar ist, nichts.

Nutzung von Babyfotos in Online-Zeitung bedarf einer Einwilligung

Das Gericht kommt also zum Ergebnis, dass die Nutzung des Babyfotos in der Online-Zeitung einer Einwilligung bedurfte, § 22 KUG (Kunsturhebergesetz), und untersucht dann weiter, § 23 KUG, ob nicht eine der gesetzlichen Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis vorliegt. Das Gericht sieht zwar mit Blick auf die Namenswahl und die dazu laufende Internet-Diskussion ein gewisses Berichterstattungsinteresse, also einen aktuellen Anknüpfungspunkt, kommt aber vereinfacht ausgedrückt zum Ergebnis, dass man über dieses Thema auch ohne die Abbildung des konkret betroffenen Babys – evtl. mit einem neutralen Foto – abstrakt berichten kann und dadurch die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt ist, da das Foto nicht zum Informationsgehalt des Berichts beiträgt. Insbesondere läge kein zeitgeschichtliches Ereignis vor, über das unter Nutzung des Babyfotos berichtet werden dürfte, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Zumindest stehen der Nutzung des Fotos die berechtigten Interessen, § 23 Abs. 2 KUG, des Kindes entgegen. Bei Abbildungen eines Minderjährigen sind zum Schutz des Kindeswohls strenge Maßstäbe anzulegen und die ungestörte Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu berücksichtigen. Der Artikel in der Online-Zeitung über den Missgriff in der Namenswahl macht sich über den neugeborenen Kläger und seine Eltern lustig, setzt ihn der Lächerlichkeit preis und stigmatisiert ihn. Es besteht die Gefahr, da es sich um eine lokale Internet-Zeitung handelt, dass der Beitrag z.B. über Blogger vielfach verbreitet und im Online-Archiv weiterhin abrufbar ist.

Schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung bei Babyfotos rechtfertigt eine Geldentschädigung

Die unverpixelte Darstellung des Babyfotos im Zusammenhang mit der abwertenden, stigmatisierenden und lächerlich machenden Berichterstattung stellt nach Ansicht des Gerichts einen groben Verstoß gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten dar, der zugleich eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung bedeutet und eine Geldentschädigung rechtfertigt.

Da sich die Parteien offenbar nicht auf den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich verständigt haben, musste das OLG im sogenannten Hauptsacheverfahren entscheiden. Mit Urteil vom 13.02.2018 zum Az. 4 U 1234/17 kam es dann zum Ergebnis, dass dem Baby neben dem Unterlassungsanspruch eine Geldentschädigung i.H.v. 2.500,- Euro, der Mindestuntergrenze für Geldentschädigungen, die das OLG Dresden ansetzt, zusteht.

Die nicht-anonymisierte Veröffentlichung des Babyfotos stellt zusammen mit dem Begleittext eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, die nach Ansicht des Gerichts nicht anders ausgeglichen werden kann, als durch die Geldzahlung. Wäre es den Eltern gelungen, die negativen Auswirkungen der Veröffentlichung auf das Persönlichkeitsrecht und die Persönlichkeitsentwicklung nachzuweisen, hätte die Geldentschädigung sogar noch höher ausfallen können. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass es in Zukunft noch zu weiteren Rechtsverletzungen auf anderen Webseiten, in sozialen Medien, bei Bloggern kommen könnte, genügt nicht. Auch der Umstand, dass der Name des Baby falsch geschrieben ist und die Mutter das bei Unterzeichnung der vorausgefüllten Freigabeerklärung übersah, wurde zu Gunsten der Online-Zeitung gewertet, auch wenn die Journalisten bei sorgfältiger Arbeit, Ziff. 2 des Pressekodex, bei der Klinik hätten nachfragen können. Jedenfalls war das mit ein Grund dafür, dass das Gericht keine höhere Geldentschädigung zugesprochen hat.

Rechtsanwalt David Seiler, Cottbus, den 26.06.2018 – www.fotorecht-seiler.eu

publiziert in Photopresse 09-2018, S.10- 11