Schutzfrist bei Fotos: OLG Hamburg zu Wagner-Familienfotos

Schutzfrist bei Fotos: OLG Hamburg zu Wagner-Familienfotos

Schutzfrist bei Fotos: OLG Hamburg zu Wagner-Familienfotos

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Schutzfrist: OLG Hamburg zur Schutzdauer von Fotografien – Wagner-Familienfotos

Das nachfolgend wiedergegebene Urteil des OLG Hamburg ist für die Frage der Berechnung von Schutzfristen bei Fotografien von Bedeutung. Daneben werden Kriterien zur Abgrenzung von einfachen, durch Leistungsschutzrecht für die Dauer von 50 Jahren geschützten Lichtbilder zu urheberrechtlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützten Lichtbildwerken erarbeitet. Es geht also um die Frage, welche Gestaltungselemente führen zu einer ausreichenden Schöpfungshöhe (§ 2 Abs. 2 UrhG), um den länger dauernden Schutz zu erlangen. Im Rahmen der Klagebefugnis spielt das Erbrecht und wer bei einer Erbengemeinschaft die urheberrechtlichen Ansprüche gelten machen darf, eine Rolle. Das Gericht stellt in IV.6. auch klar, dass ein Verwerter die Nutzungsrechte an den Fotos nur dann wirksam erwerben kann, wenn alle Miterben der Erbengemeinschaft der Nutzungsrechtseinräumg (Lizenzvertrag) zugestimmt haben. Das praktische Problem ist, den Sachverhalt bezüglich Erbschaft zutreffend zu ermitteln und alle Miterben ausfindig zu machen.

Das Urteil des OLG Hamburg

Die Entscheidung

OLG Hamburg, 05.11.1998, 3 U 175/98 – „Wagner-Familienfotos“, GRUR 1999, 717,

zeigt sehr anschaulich, wie Gerichte die Schutzfristen von Fotografien berechnen und wie kompliziert die Berechnung in Anbetracht der verschiedenen Gesetzesänderungen und deren Ineinandergreifen ist.

Weitere Informationen zum Thema „Schutzfristen von Foto“, z.B. Aufsätze und Gesetze, zusammengestellt von RA David Seiler sind hier abrufbar.

Entscheidungsrelevante Gesetze:
UrhG §§ 64 , 72 , 97 , 129 , 135a , 137a ;
UrhG F: 1985 § 72;
KUG § 26 Satz 2;
UrhG F: 1966 § 68

Leitsätze:

  1. Zur Abgrenzung von Lichtbildwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) und einfachen Lichtbildern (§ 72 UrhG) sowie einfachen Lichtbildern als Dokumente der Zeitgeschichte (§ 72 Abs. 3 UrhG F: 1985).
  2. Zur Dauer der Schutzfristen von bislang nicht erschienenen Lichtbildwerken und zeitgeschichtlich-dokumentarischen (einfachen) Lichtbildern, die zwischen 1930 und 1942 geschaffen wurden und deren Schöpfer am 17. 10. 1966 verstorben ist.
  3. Auch ein Minderjähriger kann Urheberrechtsschutz für seine Lichtbildwerke in Anspruch nehmen. (eigener Leitsatz).
  4. Bei einem Foto als Dokument der Zeitgeschichte kommt es auf die ex post Betrachtung an, wobei dessen Nutzung lange nach der Entstehung die Eigenschaft als zeitgeschichtliches Dokument indizieren kann. (eigener Leitsatz).
  5. Fotografien, die 1930 bis 1942 entstanden sind, geniesen bis zum 31.12.2036 urheberrechtliche Schutz als Lichtbildwerke und – wenn sie unveröffentlichte Dokumente der Zeitgeschichte sind – bis zum 31.12.2016 bzw. bei Fotos ohne dokumentarischen Charakter bis zum 31.12.1990 leistungsrechtliche Schutz als Lichtbilder, wenn der Fotograf im Oktober 1966 gestorben ist. (eigener Leitsatz).

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Berufungsgegenstand

Das LG (= Landgericht) hat mit dem angefochtenen Urteil den Verfügungsantrag der Ast. (= Antragstellerin – siehe IV Ziff. 6. Miterben) teilweise abgewiesen, und zwar soweit beantragt worden ist, dem Ag. (= Antraggegner) unter Androhung von Ordnungsmitteln (= Freiheitsentzug oder Geldzahlung) zu verbieten, die folgenden Werke (= hier Fotografien) von Wieland Wagner zu vervielfältigen, zu verbreiten und / oder vervielfältigen und verbreiten zu lassen (es sind die in dem Buch von Renate Schostack „Hinter Wahnfrieds Mauern – Gertrud Wagner, Ein Leben“ abgebildeten Fotografien):

  • „Gertrud mit Friedelind am 14.09.1930“ (Seite 98),
  • „Wieland und Gertrud“ (Seite 102),
  • „Gertrud als Konfirmandin, 1931“ (Seite 110),
  • „Gertrud mit Festspielkleid, 1934“ (Seite 150),
  • „Das erste Baby, Iris, 1942“ (Seite 194).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Ast., mit der sie die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.

Gegenstand des die Berufung betreffenden Unterlassungsantrages ist das Vervielfältigen und Verbreiten der aufgeführten Fotos als solche….

II. Verfügungsgrund

Es besteht ein Verfügungsgrund. In Urheberrechtsstreitigkeiten gibt es zwar keine Dringlichkeitsvermutung, vorliegend besteht aber eine Eilbedürftigkeit.

Die streitgegenständlichen Abbildungen der Fotografien Wieland Wagners sind in dem vom Ag. veröffentlichten, im Verbotstenor des Senats genannten Buch von Renate Schostack erschienen, dessen Verbreitung im Juli 1998 unmittelbar bevorstand. …

III. Klagebefugnis

Die Klagebefugnis der Ast. für den geltend gemachten Unterlassungsantrag ist gegeben.

Der auf § 97 Abs. 1 UrhG gestützte Unterlassungsantrag betrifft die Vervielfältigung und Verbreitung der fünf genannten Fotografien, die Wieland Wagner unstreitig geschaffen hat.

Die Ast. gehören – neben anderen Personen – zu seinen gesetzlichen Erben, auf die gemäß § 28 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht Wieland Wagners übergegangen ist. Den Erben eines Urhebers steht das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung zu (§§ 15 -17 UrhG). Das nach § 28 Abs. 1 UrhG vererbte Urheberrecht betrifft nicht nur Rechte an Lichtbildwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG), sondern auch Rechte an (einfachen) Lichtbildern (§ 72 Abs. 1 und 2 UrhG).

Bei einer Erbengemeinschaft finden für vererbte Urheberrechte die §§ 2032 ff. BGB … Anwendung …. Unterlassungsansprüche aus Urheberrechtsverletzung können … auch von einzelnen Miterben geltend gemacht werden ….

IV. Unterlassungsanspruch bzgl. Lichtbildwerke

Der Unterlassungsantrag hinsichtlich der Fotos „Wieland und Gertrud“, „Gertrud als Konfirmandin 1931“ und „Gertrud mit Festspielkleid 1934“ ist gemäß § 97 Abs. 1 UrhG begründet.

Bei diesen drei Fotografien handelt es sich um Lichtbildwerke (Anmerkung: Das Gericht definiert unter Ziff. 1 die Begriffe Lichtbildwerk und LIchtbild. Sodann untersucht es für jedes Foto einzeln dessen Einordnung als Lichtblidwerke in den folgenden Gliederungsziffern 2. bis 4.). Demgemäß sind die Fotos noch bis 31. 12. 2036 geschützt (Anmerkung: Unter Ziff. 5. macht das Gericht interessante Ausführungen zur Berechnung von Schutzfristen an Fotos inkl. Darstellung der Übergangsregelungen.). Der Ag. hat an keinem der drei Fotografien ein Nutzungsrecht erworben (6.).

1. Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG) unterscheiden sich von bloßen Lichtbildern (§ 72 UrhG) dadurch, daß sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Insbesondere müssen sie Individualität und Gestaltungshöhe aufweisen (Anmerkung: Durch Art. 6 der Schutzdauerrichtlinie sind diese Anforderungen gesenkt worden, es genügt jetzt „Individualität“). Sie müssen eine individuelle Betrachtungsweise oder künstlerische Aussage des Fotografen zum Ausdruck bringen, die sie von der lediglich gefälligen Abbildung abhebt. Lichtbildwerke zeichnen sich im allgemeinen dadurch aus, daß sie über die gegenständliche Abbildung hinaus eine Stimmung besonders gut einfangen, in eindringlicher Aussagekraft eine Problematik darstellen, den Betrachter zum Nachdenken anregen. Das kann z.B. durch

  • die Wahl des Motivs,
  • des Bildausschnitts oder
  • der Perspektive,
  • durch die Verteilung von Licht und Schatten,
  • durch Kontrastgebung,
  • Bildschärfe oder
  • durch die Wahl des richtigen Moments bei der Aufnahme geschehen ….

Die Masse der alltäglichen Bilder, die rein handwerkliche Abbildung des Fotografierten, zählt jedenfalls nicht zu den Lichtbildwerken (Anmerkung: Dies hat sich durch Art. 6 der Schutzdauerrichtlinie inzwischen geändert). Dazu gehören z. B. die sogenannte Gegenstandsfotografie, die darauf abzielt, die Vorlage möglichst unverändert naturgetreu wiederzugeben, weiter durchschnittliche Amateurfotos, Urlaubsbilder und dergleichen.

Bei der Beurteilung der Werkhöhe – dies gilt für alle fünf streitgegenständlichen Fotos – kann nur das maßgebend sein, was sich aus ihnen selbst für den Betrachter erschließt. Deswegen spricht der vom Ag. eingewandte Umstand, daß Wieland Wagner bei der Entstehung der Fotografien teilweise noch sehr jung gewesen ist (bei den ersten Fotos „Gertrud mit Friedelind am 14. 9. 1930“ und „Wieland und Gertrud“ war er etwa 13 Jahre alt), nicht etwa generell gegen die Annahme von Lichtbildwerken.

Vielmehr wird in dem Buch …. ausführlich die Entwicklung Wieland Wagners auch und gerade als künstlerischer Fotograf geschildert, der bereits in der Schulzeit mit Landschafts- und Porträtaufnahmen „ganz gut verdiente“;…. Offensichtlich dienten die für das Buch ausgewählten Fotografien insoweit jedenfalls der Buchautorin als Beleg für diese künstlerische Seite Wieland Wagners.

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, daß es sich bei dem Foto „Wieland und Gertrud“ um ein Lichtbildwerk handelt. Der Bildaufbau dieser Portraitfotografie ist bewußt gestaltet. Die beiden Personen fallen in ihrer unterschiedlichen Körperhaltung auf. Wieland ist der aktiv Schauende, der sich seitwärts gewandt Gertrud ansieht. Gertrud wird betrachtet, unter Wielands annäherndem Blick senkt sie freundlich-verlegen ihren Kopf, die Augen sind fast geschlossen. Damit wird das Rollenverhalten eines jungen Paares in der Begegnung ausdrucksvoll inszeniert. Die beiden Personen stehen dicht beieinander; die damit vermittelte Nähe wirkt aber zugleich etwas hölzern. So bekommt das Nebeneinander eine künstliche, durchaus noch unverbindliche Anmutung, das Nahesein der beiden wird bewußt relativiert. Diese Bildaussage hat ihre Entsprechung im Hintergrund der grob strukturierten Holzfassade mit sichtbaren Trennfugen. Zudem vermittelt der übergroße dunkle Schatten von Wielands Kopf, der sich mit diesem auf Gertrud zubewegt, das Fremde und Bedrohliche, das die Betroffene bei der nicht unwillkommenen Annäherung gleichwohl empfinden kann. (Anm. Beeindruckende Interpretation: M.E. zeigt das, dass man mit der entsprechenden Interpretation nahezu jeden Fotos – soweit es nicht gerade ein Reprofoto ist, zum bewußt gestalteten Werk auch unter der alten Rechtslage hochstilisieren konnte, was die Abgrenz fraglich macht.)

Das Lichtbild ist mithin individuell gestaltet; es hat eine beabsichtigte Wirkung, die über den vordergründigen Anlaß, sich mit dem Selbstauslöser abbilden zu lassen, deutlich hinausgeht.

3. Nach den oben unter 1. dargestellten Grundsätzen ist das Foto „Gertrud als Konfirmandin, 1931“ ebenfalls ein Lichtbildwerk.

Gertrud wirkt in ihrem festlichen Kleid passend angezogen, ihr Lächeln ist gelassen und natürlich, aber nicht beiläufig. Sie steht ganz sorgfältig nach Art eines Bühnenbildes arrangiert im Mittelpunkt und Vordergrund des Bildes, die Senkrechte ihrer Gestalt wird durch die bewußt gewählte, tiefe Aufnahmeposition des Fotografen zusätzlich betont. Gertrud lehnt sich an ein Geländer, das zu ihr durch die Betonung der Waagerechten und der steilen Perspektive stark kontrastiert. Das Geländer gibt Gertrud Halt, es weist in die durch die perspektivische Tiefe verdeutlichte Vergangenheit zurück und läßt Gertrud nach vorn ins zukünftige Leben blicken. Der akzentuierte Schatten des Geländers bildet einen kräftig wirkenden, deutlichen Pfad, auf dem Gertrud „gehen“ kann. Dem dadurch sinnbildlich ausgedrückten Blick in die Zukunft entspricht der Hintergrund mit dem Haus, das mit seiner Architektur wie eine besonders inszenierte Kulisse wirkt. Gertrud ist zentral vor dem mittleren Fenster plaziert, sie wird von zwei Fenstern eingerahmt und von dem Fensterdach in der Mitte gleichsam „behütet“.

Die Fotografie ist bewußt gestaltet, sorgfältig konstruiert und von individuellem Ausdruck.

4. Entsprechend den obigen Ausführungen unter 1. handelt es sich auch bei dem Foto „Gertrud mit Festspielkleid, 1934“ um ein Lichtbildwerk.

Das Besondere dieser Fotografie erschließt sich aus dem Zusammenwirken von bewußten Kontrasten und kaum wahrnehmbaren Übergängen zwischen der dargestellten Person Gertrud und ihrer künstlich verfremdeten Umgebung. Dem Dunkel auf der rechten Bildseite steht das Helle auf der linken Seite gegenüber, in der Mitte des Gegensätzlichen befindet sich Gertrud. Ihre Arm- und Körperhaltung vermittelt bewußt eine gespannte, aber unverkrampfte Eleganz, die der des festlichen Kleides ebenbürtig ist. Die Kamera ist betont tief angesetzt, die Figur Gertruds wirkt so besonders schlank und überlegen. Der Übergang vom Kleid zum ebenfalls stoffartig wirkenden Hintergrund ist weich gestaltet, demgegenüber ist der Hell-Dunkel-Gegensatz zwischen Fußboden und Rocksaum akzentuiert hart, deutlich herausgearbeitet ist auch das Licht- und Schattenspiel hinter und um Gertrud. Das Helle und Dunkle und die stoffliche Struktur von Kleid und Hintergrund vermitteln Weite, die das Festliche des Kleides steigert, aber auch in Richtung einer Abstraktion überhöht.

Es handelt sich um eine individuelle Werkschöpfung; es werden Gestalt, Bewegung und Raum in bewußter Komposition verarbeitet.

5. Die drei Fotografien sind noch bis 31. 12. 2036 geschützt.

a) Die Fotos sind unstreitig zwischen 1930 und 1934 entstanden. Die Fotografie „Wieland und Gertrud“ stammt unstreitig aus dem Jahre 1930. Auch die übrigen Jahresangaben sind unstreitig.

Alle fünf streitgeständlichen und demgemäß auch die hier in Rede stehenden drei Fotografien sind bis zum Tode des Lichtbildners Wieland Wagner am 17.10. 1966 nicht veröffentlicht worden. Danach hat es eine von seinen Erben autorisierte Veröffentlichung der Fotos – abgesehen von dem beanstandeten Buch – ebenfalls nicht gegeben.

b) (Schutzfristen nach KUG)

Zunächst waren die drei Lichtbildwerke nach dem (bis zum 31. 12. 1965 gültigen) § 26 Satz 2 KUG einheitlich bis zum 31. 12. 1991 geschützt. 

Die Fotografien sind zwischen 1930 und 1934 entstanden. Nach § 26 Satz 2 KUG beträgt die Schutzfrist für – wie vorliegend – nicht erschienene Lichtbildwerke 25 Jahre, beginnend mit dem Tode des Fotografen. Die Frist berechnet sich nach § 29 KUG, die dem jetzigen § 69 UrhG entspricht; sie begann mit dem 1. 1. 1967 und endete mit dem 31. 12. 1991.

c) (Schutzfrist nach UrhG 1966)

Für die drei Fotos ergaben sich durch die Gesetzesänderung zum 1. 1.1966 nach § 68 UrhG in der damaligen Fassung – für sich gesehen – verkürzte Schutzfristen gegenüber der früheren Rechtslage. Für die älteste der drei Fotografien („Wieland und Gertrud“ von 1930) wäre die Schutzfrist mit dem 31. 12. 1955, für das jüngste der drei Fotos („Gertrud mit Festspielkleid, 1934“) mit dem 31. 12. 1959 beendet gewesen.

Gemäß § 68 UrhG (1966) war – anders als nach § 26 Satz 2 KUG – für den Beginn der Schutzfrist von 25 Jahren bei nicht erschienenen Lichtbildwerken nicht mehr der Tod des Urhebers, sondern der Zeitpunkt der Herstellung der Fotografien maßgebend. Das Urheberrechtsgesetz ist mit § 68 UrhG am 1. 1. 1966 anstelle des KUG in Kraft getreten (§ 143 UrhG); mangels einer besonderen Überleitungsregelung galt § 68 UrhG a. F. auch für Alt-Werke (§ 129 UrhG). Wieland Wagner ist erst danach am 17. 10. 1966 verstorben, demgemäß kam § 68 UrhG (1968) für die drei Lichtbildwerke zur Anwendung.

Nach § 68 UrhG (1966) betrug die Schutzfrist für die nicht erschienenen Lichtbildwerke Wieland Wagners 25 Jahre nach deren Herstellung (von 1930 bis 1934). Die Frist berechnete sich nach § 69 UrhG, sie hätte bei dem ältesten Bild mit dem 1. 1. 1931 und bei dem jüngsten Bild mit dem 1. 1. 1935 begonnen.

d) (UrhG-Novelle 1972)

Die mit der Gesetzesnovelle vom 10. 11. 1972 eingeführte – vom LG übersehene – Regelung des § 135a UrhG hat zur Folge, daß die drei Fotografien einheitlich bis 31. 12. 1990 geschützt waren.

§ 135a Satz 1 UrhG (1972) betrifft die vor „seinem“ (des UrhG) Inkrafttreten entstandenen Rechte, deren Schutzdauer durch die Anwendung „dieses Gesetzes“, d. h. des UrhG, verkürzt wird. Die Rechte an den drei Fotos sind mit ihrer Herstellung zwischen 1930 und 1934, mithin vor dem Inkrafttreten des UrhG am 1. 1. 1966 (§ 143 UrhG) entstanden. Wie oben unter 5. b) und c) ausgeführt, hat die Gesetzesänderung die Schutzdauer bei den Fotos verkürzt; gemäß § 26 Satz 2 KUG wären die Fotos erst nach dem 31. 12. 1991 gemeinfrei geworden, gemäß § 68 UrhG (1966) aber bereits nach dem31. 12. 1955 (beim ältesten Bild) bzw. nach dem 31. 12. 1959 (beim jüngsten der drei Fotos).

Entgegen der Ansicht des Ag. gilt § 135a UrhG auch für Lichtbildwerke. Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut allgemein ein „Recht“ und nicht etwa nur Leistungsschutzrechte,… . Das entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, um auch die Rückverlagerung des Fristbeginns bei unveröffentlichten Lichtbildern und Lichtbildwerken auszugleichen, sofern deren Schutzfristen mit dem Inkrafttreten des UrhG noch nicht abgelaufen waren.

Gemäß § 135a Satz 1 UrhG ist vorliegend für den Beginn der Schutzfrist der nicht erschienenen Lichtbildwerke nicht deren Herstellung, sondern statt dessen das Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. 1. 1966 maßgeblich. Die gemäß § 68 UrhG (1966) 25jährige Schutzfrist wäre demgemäß bei den drei Fotos einheitlich mit dem 31. 12. 1990 beendet gewesen.

Die Regelung des § 135a Satz 2 UrhG, die die Schutzverlängerung nach § 135a Satz 1 UrhG einschränkt, kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Denn eine kürzere Frist ergibt sich in Ansehung des § 26 Satz 2 KUG hier nicht, weil Wieland Wagner am 17. 10. 1966 verstorben ist und die Schutzfrist nach § 26 Satz 2 KUG – wie oben unter 5. b) ausgeführt – für die drei Fotos erst am 31. 12. 1991 enden würde. § 135a Satz 1 UrhG führt dagegen zu einer Schutzdauer bis 31. 12. 1990.

e) (UrhG-Novelle 1985)

Durch die Aufhebung des § 68 UrhG (1966) und den im Rahmen der Urheberrechtsnovelle vom 24. 6. 1985 gleichzeitig eingefügten § 137a UrhG hat sich nach Absatz 1 dieser Vorschrift die Schutzdauer wiederum verändert, sie endet für die drei Fotos einheitlich erst mit dem 31. 12.2036.

Die urheberrechtliche Schutzdauer der §§ 64 ff. UrhG gilt gemäß § 137a Abs. 1 UrhG für Lichtbildwerke, deren Schutzfrist am 1. 7. 1985 nach dem bis dahin geltenden Recht noch nicht abgelaufenist. Wie oben unter 5. d) ausgeführt, lief die Schutzdauer für die Fotos gemäß § 135a UrhG noch bis zum 31. 12. 1990, sie war mithin am 1. 7. 1985 noch nicht abgelaufen.

Entgegen der Ansicht des Ag. ist unter „dem bis dahin geltenden Recht“ im Sinne des § 137a UrhG nicht allein die Regelung des § 68 UrhG (1966) zu verstehen. Deren Anwendung allein würde allerdings – wie oben unter 5. c) ausgeführt – zur Verkürzung der Schutzfristen gegenüber der Rechtslage nach dem § 26 KUG führen; deswegen ist mit der Gesetzesnovelle vom 10. 11. 1972 zur Bereinigung der als verfassungswidrig angesehenen Rechteverkürzung gerade § 135a UrhG eingefügt worden.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 137a Abs. 1 UrhG kann daher die Wendung „nach dem bis dahin geltenden Recht“ nur die Anwendung aller damals geltenden Vorschriften und damit auch die des § 135a UrhG bedeuten. Daß der Gesetzgeber entgegen dem Wortlaut des § 137a Abs. 1 UrhG gleichwohl den § 135a UrhG etwa außer Kraft hätte setzen oder die – nochmalige – Verlängerung der Schutzfristen für bestimmte ältere Lichtbildwerke hätte ausschließen wollen, ist dem Gesetz selbst und den gesetzgeberischen Motiven zu § 137a UrhG nicht zu entnehmen. Insoweit ist nur von einer wegen der Einbeziehung der Lichtbildwerke unter die für andere urheberrechtliche Werke geltende Schutzfrist „notwendige Übergangsregelung“ die Rede (BT-Drs. 10 / 837, 22).

Gegenteiliges ist dem Schrifttum (= juristische Literatur) nicht zu entnehmen. Der Hinweis von Schricker / Katzenberger (= urheberrechticher Standardkommentar) auf die „entsprechende Schutzdauerbestimmung des früheren Rechts in § 68 UrhG“ ist als solcher zutreffend, denn § 68 UrhG galt vor dem 1. 7. 1985, und die Rechtsfolgen dieser Vorschrift haben nur in bestimmten Fällen durch § 135a UrhG eine Änderung erfahren. Mit der speziellen Frage des § 135a UrhG beschäftigt sich die Literaturstelle ersichtlich nicht. Entsprechendes gilt für die dort in Bezug genommenen Fundstellen. Der Hinweis bei Fromm / Nordemann / Hertin (= weitere urheberrechtliche Kommentar), wonach eine Rückwirkung des verlängerten Rechtsschutzes für Lichtbildwerke und Dokumente der Zeitgeschichte, die vor dem 1. 1. 1960 erschienen oder hergestellt worden sind, ausgeschlossen sein soll, wird nicht näher begründet …. Die vorliegende spezielle Problematik zu § 135a UrhG wird … an anderer Stelle entsprechend der oben dargestellten Auffassung des Senats behandelt.

f) (Schutzfristberechnung)

Gemäß § 64 Abs. 1 UrhG erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers. Die 70jährige Schutzfrist beginnt mit dem 1. 1. 1967 (§ 69 UrhG) und endet für alle drei Fotografien einheitlich mit dem 31. 12. 2036.

Diese Regelung stimmt mit der des § 129 Abs. 1 UrhG überein, die als Übergangsbestimmung für § 64 Abs. 1 UrhG gilt. § 64 Abs. 1 UrhG ist mithin auch auf Werke anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschaffen worden sind, sofern sie bei Inkrafttreten des § 64 Abs. 1 UrhG noch urheberrechtlich geschützt waren. § 64 Abs. 1 UrhG trat am 17. 9. 1965 in Kraft. Damals waren die drei Fotografien Wieland Wagners urheberrechtlich geschützt; auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

6. Der Ag. hat an keinem der fünf streitgegenständlichen Fotografien und damit auch an den hier in Rede stehenden drei Fotos ein Nutzungsrecht erworben (§ 31 UrhG).

Eine wirksame Übertragung des Rechts auf Vervielfältigung und Verbreitung hätte nur von allen Miterben, d. h. den vier Kindern Wieland Wagners (das sind die drei Ast. und deren Schwester) und seiner Ehefrau Gertrud Wagner gemeinschaftlich vorgenommen werden können, wobei – wie das LG zur Frage der Rechteübertragung an den Abbildungen der Bilder Wieland Wagners zutreffend ausgeführt hat – die Einigung untereinander und die Ermächtigung einer Person zur Rechteübertragung ausreichend gewesen wäre.

Der Ag. hat nicht glaubhaft gemacht, daß und gegebenenfalls auf welchem Wege ihm die Nutzungsrechte an den fünf Fotografien übertragen worden sind. Vielmehr tragen die Ast. unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen vor, daß es keine Einwilligung zur Rechteübertragung und auch keine Einigkeit der Erben über eine solche Rechteübertragung gegeben hat.

V. Unterlassungsanspruch bzgl. Lichtbilder

Der Unterlassungsantrag hinsichtlich der Fotos „Gertrud mit Friedelind am 14. September 1930“ und „Das erste Baby, Iris, 1942“ ist gemäß § 97 Abs. 1 UrhG begründet.

Bei diesen zwei Fotografien handelt es sich zwar nicht um Lichtbildwerke (1. und 2.), aber als (einfache) Lichtbilder um Dokumente der Zeitgeschichte (3.). Demgemäß sind die Fotos noch bis 31. 12. 2016 geschützt (4.). Der Ag. hat an den Fotos kein Nutzungsrecht erworben (5.).

  1. Unter Beachtung der oben unter IV. 1. dargestellten Grundsätze handelt es sich bei dem Foto „Gertrud mit Friedelind am 14. 9. 1930“ nicht um ein Lichtbildwerk (wird ausgeführt).
  2. Nach den oben unter IV. 1. dargestellten Grundsätzen ist das Foto „Das erste Baby, Iris, 1942“ ebenfalls kein Lichtbildwerk (wird ausgeführt).
  3. Beide Fotografien sind als einfache Lichtbilder Dokumente der Zeitgeschichte im Sinne des § 72 Abs. 3 UrhG (1985). Obwohl diese Vorschrift inzwischen durch § 72 Abs. 3 UrhG (1995) ersetzt worden ist, kommt es – wie noch unter V. 4. ausgeführt wird – auf die frühere Regelung vorliegend an.

a) Der Begriff „Dokumente der Zeitgeschichte“ im Sinne des § 72 Abs. 3 UrhG (1985) läßt eine weite Auslegung zu, er kann an das Merkmal des „(außergewöhnlichen) dokumentarischen Wertes“ (§ 55 Abs. 2 UrhG) sowie an „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) anknüpfen. Deckungsgleich sind die Bezugsbegriffe nicht, denn § 72 Abs. 3 UrhG (1985) setzt keine Bedeutung von historischem Rang voraus. Dokumente der Zeitgeschichte können, müssen aber nicht Bildnisse im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sein, denkbar sind z. B. auch Fotos seltener Naturereignisse. Der Bereich der Zeitgeschichte umfaßt nicht nur das politische, sondern auch das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben des Volkes, d. h. alles, was in der Öffentlichkeit – auch regional – beachtet wird.

Der Charakter eines Lichtbildes als „Dokument der Zeitgeschichte“ muß nicht von vornherein feststehen, sondern wird sich vielfach erst aus späterer Sicht (ex post Betrachtung) ergeben, sei es, daß die abgebildete Person inzwischen eine berühmte Person der Zeitgeschichte geworden ist, sei es, daß der abgebildete Gegenstand nach Jahren kulturhistorisches Interesse erweckt und seine Abbildung zu einem zeitgeschichtlichen Dokument geworden ist. Einmaligkeit, Originalität und Sinnfälligkeit des Bildgegenstandes in bezug auf zeitgeschichtliche Ereignisse können geeignete Indizien sein. Die Tatsache, daß ein Lichtbild nach Jahrzehnten noch von so großem Interesse ist, daß es vervielfältigt, verbreitet und oder gesendet wird, zeigt bereits seinen zeitgeschichtlich-dokumentarischen Charakter.

b) Unter Beachtung der oben unter IV. 3. a) dargestellten Grundsätze handelt es sich bei dem Foto „Gertrud mit Friedelind am 14. September 1930“ um ein Dokument der Zeitgeschichte.

Wieland Wagner ist nicht nur als erstgeborener Enkel Richard Wagners, sondern insbesondere auch durch seine eigene Regieleistung in Bayreuth von großer zeitgeschichtlicher Bedeutung. Die von ihm auf dem Foto neben Friedelind abgebildete Gertrud ist seine Jugendliebe und spätere Ehefrau. Die in dem beanstandeten Buch geschilderte Nähe der Familie Wagner zum NS-Regime gibt der teilweise abgelichteten Parole „Deutschland erwache!“ neben dem aktuellen Bezug als Aufnahme am Wahltag des 14. 9. 1930 eine weitere historisch-dokumentarische Dimension. Auf die obigen Ausführungen unter IV. 1. wird Bezug genommen.

c) Unter Beachtung der oben unter IV. 3. a) dargestellten Grundsätze ist das Foto „Das erste Baby, Iris, 1942“ ebenfalls ein Dokument der Zeitgeschichte (wird ausgeführt).

4. Die zwei Fotografien (die Lichtbilder als Dokumente der Zeitgeschichte) sind noch bis 31. 12. 2016 geschützt.

a) Die Fotos sind unstreitig 1930 und 1942 entstanden. Die Jahresangaben ergeben sich aus den Bildunterschriften in dem Buch ….

Die beiden Fotografien sind bis zum Tode des Lichtbildners Wieland Wagner am 17. 10. 1966 unveröffentlicht geblieben. Auf die obigen Ausführungen unter IV. 5. a) wird Bezug genommen.

b) Zunächst waren die zwei einfachen Lichtbilder nach dem (bis zum 31. 12. 1965 gültigen) § 26 Satz 2 KUG einheitlich bis zum 31. 12. 1991 geschützt.  § 26 Satz 2 KUG galt für Lichtbildwerke und einfache Lichtbilder in gleicher Weise; eine Unterscheidung innerhalb der einfachen Lichtbilder mit und ohne dokumentarischen Charakter gab es nicht. Auf die obigen Ausführungen unter IV. 5. b) wird entsprechend Bezug genommen.

c) Für die zwei Fotos ergaben sich durch die Gesetzesänderung zum 1. 1.1966 nach § 68 UrhG (1966) in Verbindung mit § 72 Abs. 1 UrhG (1966) verkürzte Schutzfristen gegenüber der früheren Rechtslage. Für das ältere der beiden Fotografien („…14. 9. 1930“) wäre die Schutzfrist mit dem 31. 12. 1955, für das jüngere Foto („…1942“) mit dem 31. 12. 1967 beendet gewesen.

Wie oben unter IV. 5. c) ausgeführt, war gemäß § 68 UrhG (1966) für nicht erschienene Lichtbildwerke – anders als nach § 26 Satz 2 KUG – für den Beginn der Schutzfrist nicht mehr der Tod des Urhebers, sondern der Zeitpunkt der Herstellung der Fotografien maßgeblich.

§ 68 UrhG (1966) galt gemäß § 72 Abs. 1 UrhG (1966) ebenso für einfache Lichtbilder; denn nach § 72 Abs. 1 UrhG (1966) waren die geltenden Vorschriften des Ersten Teils des UrhG (§§ 1 -69 UrhG) auf Lichtbilder sinngemäß anzuwenden. Mangels Unterscheidung innerhalb der einfachen Lichtbilder galt § 72 Abs. 1 UrhG (1966) auch für Dokumente der Zeitgeschichte. Auf die obigen Ausführungen unter IV. 5. c) wird entsprechend Bezug genommen.

d) Nach der späteren Regelung des § 135a UrhG (1972) waren die zwei Fotos einheitlich bis 31. 12. 1990 geschützt.

Entgegen der Ansicht des Ag. gilt § 135a UrhG nicht nur für Lichtbildwerke, sondern auch für alle einfachen Lichtbilder. Die Schutzfristdauer ergibt sich entsprechend den obigen Ausführungen unter IV. 5. d) aus § 135a Satz 1 UrhG, § 135a Satz 2 UrhG kommt nicht in Betracht.

e) Durch die Aufhebung des § 68 UrhG (1966) und gemäß dem zugleich (mit der Novelle vom 24. 6. 1985) neugefaßten § 72 UrhG (1985) hat sich die Schutzdauer geändert, sie endet für alle fünf Fotos einheitlich erst mit dem 31. 12. 2016.

Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG (1985) gilt für einfache, nicht erschienene Lichtbilder, die Dokumente der Zeitgeschichte sind, nunmehr eine 50jährige Schutzfrist ab deren Herstellung.

Entgegen der Ansicht des Ag. ist hierbei nicht allein auf § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG (1985) abzustellen. Das hätte nämlich bei den nicht erschienenen, in den Jahren 1930 und 1942 hergestellten Fotos Wieland Wagners zur Folge, daß die 50jährige Frist beim ältesten Bild mit dem 1. 1. 1931 und bei dem jüngsten Bild mit dem 1. 1. 1943 begonnen hätte und bei dem ältesten Bild mit dem 31. 12. 1980 und bei dem jüngsten Bild mit dem 31. 12. 1992 geendet hätte. Wegen der Berechnung wird auf die obigen Ausführungen unter IV. 5. c) entsprechend Bezug genommen.

Die 50jährige Frist beginnt aber vorliegend nicht mit der Herstellung der Fotos, sondern in Anwendung von § 135a Satz 1 UrhG (1972) für alle Fotos mit dem 1. 1. 1966. Auf die obigen Ausführungen unter IV. 5. d) wird Bezug genommen.

Der mit der Gesetzesnovelle vom 10. 11. 1972 geschaffene § 135a UrhG gilt – wie oben unter V. 4. d) ausgeführt – für Lichtbildwerke und für alle einfachen Lichtbilder. § 135a UrhG unterscheidet bei einfachen Lichtbildern nicht danach, ob sie Dokumente der Zeitgeschichte sind oder nicht.

Entgegen der Ansicht des Ag. hat § 135a Satz 2 UrhG (1972) für die durch § 72 UrhG (1985) eingetretene Verlängerung der Schutzfrist keine einschränkende Wirkung. § 135a Satz 2 UrhG betrifft – wie schon die Gesetzessystematik belegt – lediglich die mit § 135a Satz 1 UrhG geschaffene Regelung; eine Übergangsregelung für Alt-Fälle im Rahmen des § 72 UrhG (1985) ist § 135a Satz 2 UrhG (1972) nicht.

f) Durch die Urheberrechtsnovelle vom 24. 6. 1985 ist – wie oben unter IV. 5. e) und V. 4. e) ausgeführt – § 137a UrhG eingefügt, § 68 UrhG (1966) aufgehoben und § 72 UrhG (1985) neu gefaßt worden.

§ 137a UrhG stellt auf das „bis dahin geltende Recht“ ab. Wie oben unter IV. 5 e) ausgeführt, ist dabei nicht auf 68 UrhG 1966 allein, sondern auch auf § 135a UrhG (1972) abzustellen. Wie oben unter IV. 5. d) ausgeführt, waren die Lichtbilder nach dem bis zur Urheberrechtsnovelle von 1985 geltendem Recht gemäß § 135a UrhG (1972) einheitlich bis 31. 12. 1990 geschützt. die Schutzdauer war mithin am 1. 7. 1985 noch nicht abgelaufen. § 135a Satz 2 UrhG (1972) ändert insoweit nichts, auf die obigen Ausführungen unter V. 4. e) wird Bezug genommen.

§ 137a UrhG betrifft nach seinem Wortlaut Lichtbildwerke. Die Vorschrift wird aber nach zutreffender Ansicht auf einfache Lichtbilder, die Dokumente der Zeitgeschichte sind, analog angewendet ….

g) Nichts anderes ergibt sich aus der Neufassung des § 72 Abs. 3 UrhG (1995). Deswegen ist es aber auch entscheidungserheblich, ob die Fotos als einfache Lichtbilder Dokumente der Zeitgeschichte sind oder nicht:

Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG (1995) wäre die 50jährige Schutzdauer der Lichtbilder, obwohl sie Dokumente der Zeitgeschichte sind, abgelaufen, bei dem älteren Bild mit dem 31. 12. 1980 und bei dem jüngsten Bild mit dem 31.12.1992. Denn nach § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG (1995) beträgt die Schutzdauer für alle nicht erschienenen einfachen Lichtbilder, die keine Lichtbildwerke sind, 50 Jahre ab deren Herstellung. Diese Regelung würde zu einer Verkürzung der Schutzdauer gegenüber dem früheren Recht führen. Die Schutzfrist endet – wie oben unter V. 4. e) und f) ausgeführt – für die zwei Fotos einheitlich erst mit dem 31.12.2016. Gemäß § 137f Abs. 1 Satz 1 UrhG (1995) bleibt es insoweit bei der Schutzdauer nach den bis zum 30.06.1995 geltenden Vorschriften.

h) Entgegen der Ansicht der Ast. kann nicht dahinstehen, ob die zwei Fotos als einfache Lichtbilder Dokumente der Zeitgeschichte sind – wie es der Fall ist – oder nicht.

Denn wären die beiden Fotos einfache Lichtbilder ohne dokumentarischen Charakter, so hätte deren Schutzfrist einheitlich mit dem 31.12.1990 geendet.

Die Rechtslage stimmte zunächst mit derjenigen überein, die für die Fotografien gelten würde, die als einfache Lichtbilder Dokumente der Zeitgeschichte sind. Denn § 26 KUG, aber auch die §§ 68 , 72 Abs. 1 UrhG (1965) und § 135a UrhG galten bzw. gelten – § 72 Abs. 1 UrhG (1995) – für alle Lichtbilder. Für … einfache Lichtbilder, die keine Dokumente der Zeitgeschichte sind, ist § 137a UrhG (1985) nicht – auch nicht analog – anwendbar. Der eindeutige Wortlaut und Gesetzeszweck ließe anderes nicht zu.

Die Neufassung des § 72 Abs. 3 UrhG (1995) änderte das Ergebnis vorliegend nicht. Gemäß § 137f Abs. 1 Satz 2 UrhG (1995) gilt § 72 Abs. 3 UrhG (1995) für Werke und verwandte Schutzrechte, deren Schutz am 01.07.1995 noch nicht erloschen ist. Das wäre aber bei den zwei Fotos Wieland Wagners bereits – wie oben ausgeführt – mit dem 31.12.1990 der Fall gewesen.

5. Der Ag. hat an keinem der zwei hier in Rede stehenden Fotos ein Nutzungsrecht erworben (§ 31 UrhG).

Bearbeitet von:

David Seiler,
Rechtsanwalt Mainz, den 24.05.2004 – ursprünglich auf fotorecht.de / Cottbus, den 17.08.2016
Mitautor des Beck-Rechtsberater im dtv Internet-Recht im Unternehmen (siehe Rezension von M. Junker)