Schutzfristen – Aufleben bei Riefenstahl-Standfotos

Schutzfristen – Aufleben bei Riefenstahl-Standfotos

Schutzfristen – Aufleben bei Riefenstahl-Standfotos

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Schutzfristen: Lehren aus dem Urteil zu Leni Riefenstahl-Fotos – Die Zombies des Urheberrechts

Der Gesetzgeber wollte auch den Urhebern, z.B. Schriftsteller, Komponisten, Maler oder Fotografen ermöglich etwas zu vererben. Hierzu wurde mit dem Ziel, zwei Generationen von Erben a 35 Jahre noch am urheberrechtlichen Schutz der von ihren Vorfahren geschaffenen Werken profitieren zu lassen, der gesetzliche Schutz des Urheberrechts auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers festgeschrieben. Da in der Anfangszeit der Fotografie umstritten war, ob Fotografien, bei denen der Fotograf ja „nur“ auf den Auslöser drückt und das von der Natur vorgegebene abbildet, überhaupt urheberrechtlich geschützt werden sollte, wurde bei Fotografien zunächst nur eine kurze Schutzfrist von 5 Jahren im Photografieschutzgesetz von 1876 vorgesehen, so wurde diese Frist im Laufe der Jahre von 10 auf 25 Jahre, für dokumentarische Fotos auf 50 Jahre und schließlich für Lichtbildwerke auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (= lat.: post mortem auctoris, kurz p.m.a.) ausgedehnt. Durch die EU-Schutzdauerrichtlinie von 1993 (Neufassung: Richtlinie 2006/116/EG) erfolgt ab 1995 eine Rechtsvereinheitlichung in der EU, von der auch ältere Fotos, deren Schutzfristen bereits abgelaufen waren, noch profitieren können. Diese Rechtsänderungen im Laufe der Jahre und die Übergangsvorschriften machen es schwierig zu bestimmen, ob ein konkretes Fotos noch oder wieder und bis wann urheberrechtlich geschützt ist. Zu diesem Fragekomplex liegt ein Urteil des LG Köln vom 01.06.2017 zum Az. 14 O 141/15 vor, das nicht nur für die Frage der Schutzfristen an alten Fotos, sondern auch allgemein für die Berechnung eine Schadensersatzanspruches bei der Verletzung von Rechten an Fotos interessant ist.

Der Fall: Standfotograf des Leni Riefenstahl Films „Das Blaue Licht“ von 1932

Walter Riml, gestorben 1994, war Standfotograf bei dem Film „Das Blaue Licht“ von Leni Riefenstahl. Kläger ist der Sohn des Fotografen, der ein Archiv mit Fotos seines Vaters betreibt. Der Beklagte hatte eine Webseite über das Leben und Werk von Leni Riefenstahl betrieben. Der Kläger lies den Beklagten 2013 abmahnen und forderte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz, da er die Fotos auf seiner Homepage widerrechtlich veröffentlicht und zum Download bereitgestellt habe. Er forderte Schadensersatz nach der Lizenzanalogie, § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG, auf der Grundlage der MFM Bildhonorare 2011 in Höhe von 98.400,- Euro.

Der Beklagte bestreitet das Recht des Klägers, überhaupt Klage zu erheben (sog. Aktivlegitimation), da die Rechte an den Fotos der Auftraggeberin und Regisseurin Leni Riefenstahl zustehen und sie das, was fotografiert wurde, gestaltet und festgelegt habe. Da es sich um einfach Lichtbilder, § 72 UrhG, handele und nicht um Lichtbildwerke, § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, sei die Schutzfrist bereits 1958 (25 Jahre nach Veröffentlichung der Fotos) abgelaufen. Die Webseite stelle ein privates Projekt ohne kommerzielle Interessen dar (vergleichbar einer Fan-Page). Daher sei keine Vergütung und kein Schadensersatz geschuldet.

Wer ist Urheber der Fotos: der Fotograf oder die Auftraggeberin?

Das Gericht hat entschieden, dass dem Kläger Schadensersatz zusteht, da er Alleinerbe seines Vaters ist, der Urheber der Standfotos war. Aus der Nennung des Fotografen als Standfotograf in zahlreichen Quellen und aus der Vorlage der Negativrollen wurde geschlossen, folgert das Gericht, dass der Fotograf die streitgegenständlichen Fotos aufgenommen hat. Aus der Tatsache, dass Leni Riefenstahl Regie geführt hat, ergibt sich keine (Mit-)Urheberschaft, vgl. § 8 UrhG. Der Standfotograf ist alleiniger Urheber der Fotos, da er die Kamera bedient und über den Aufnahmewinkle, Lichteinfall und Zeitpunkt der Auslösung entschieden hat. Dieses Ergebnis ist generell wichtig für das Verhältnis von Fotografen zu Werbeagenturen oder sonstigen Kunden, die ihnen in Form eines Briefings oder in anderer Weise Vorgaben für die zu erstellenden Fotos machen.

Schutzfristen für Lichtbilder oder Lichtbildwerke?

Für die Frage, ob die Fotos noch urheberrechtlich geschützt sind, kommt es entscheidend auf die Frage an, ob es sich um einfache, nur 50 Jahre nach Herstellung bzw. Erscheinen geschützt Lichtbilder oder 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützte Lichtbildwerke handelt. Das Gericht stellt unter Bezugnahme auf die EU-Schutzdauerrichtlinie und eine BGH-Entscheidung aus 1999 klar, dass alleine darauf ankommt, dass die Fotos das Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung sind, ohne dass es dabei auf eine besonderes Maß an schöpferischer Gestaltung ankommt. Es handelt sich bei den Stand-Fotos also um Lichtbildwerke, die 70 Jahre p.m.a. geschützt sind.

Die Zombies des Urheberrechts: der wieder aufgelebte Urheberrechtsschutz – Schutzfristen

Die Fotos sind spätestens 1933 erschienen, so dass nach dem damals geltenden Kunsturhebergesetz (KUG) gem. § 26 KUG zunächst ein Schutz für 10 Jahre und nach der Gesetzesänderung 1940 ein Schutz von 25 Jahren ab erscheinen bestand, so dass die ursprüngliche Schutzdauer 1958 abgelaufen war. Da die EU-Schutzdauerrichtlichie von 1995 jedoch eine EU-weite Rechtsangleichung anstrebte und die Unterscheidung in einfach Lichtbilder und urheberrechtlich geschützte Lichtbildwerke in anderen EU-Staaten (z.B. Frankreich, Spanien, Italien) nicht bestand, sondern die Fotos dort noch als urheberrechtliche Werke geschützt waren, ist ihr Schutz auch in Deutschland wieder aufgelebt. Die Fotos sind also noch 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (1994) geschützt (bis 2065).

Urheberrechtsverletzung durch Online-Stellen

Alleine das Online-Stellen (Upload auf den Webserver und Einbinden in eine Webseite) verletzt das sogenannte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG. Darauf, dass die Fotos über die Funktion „Bild speichern unter“ heruntergeladen werden kann, kommt es dabei nicht an.

Schuldhafte Urheberrechtsverletzung

Die Urheberrechtsverletzung war auch schuldhaft. Im Urheberrecht werden strenge Maßstäbe an den Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke gestellt: er muss die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ beachten und sich vergewissern, dass er die erforderlichen Rechte vom Urheber oder sonst berechtigten Lizenzgeber erhalten hat. Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten kommt im Urheberrecht nicht in Betracht. Auch wenn ihm Leni Riefenstahl zugesichert habe, er dürfe die Fotos nutzen, hätte er sich bei dem in zahlreichen Quellen genannten Fotografen Walter Riml bzw. dessen Erben, dem Kläger, erkundigen bzw. um Zustimmung bitten müssen.

Höhe des Schadenersatzes bei Fotorechtsverletzungen

Der Schadensersatzanspruch kann bei Urheberrechtsverletzungen nach der sogenannten Lizenzanalogie berechnet werden, § 97Abs. 2 S. 3 UrhG. Dabei wird unterstellt, dass die Parteien einen Lizenzvertrag zu üblichen und angemessenen Konditionen geschlossen hätten, ungeachtet der Frage, ob der Lizenzgeber bereitgewesen wäre überhaupt eine Lizenz zu erteilen oder ob der Lizenznehmer bereitgewesen wäre, ein Honorar in üblicher Höhe zu zahlen. Das Gericht kann die Höhe unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls in freier Überzeugung bemessen, § 287 ZPO (Zivilprozessordnung). Branchenübliche Tarife und Vergütungssätze wie die MFM-Honorarübersichten können ein Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung sein. Die Nutzung der Fotos auf der „Fan-Page“ stellt jedoch ein privates Handeln dar und ist keine wirtschaftliche Tätigkeit. Jedoch ist der Betrieb der umfangreichen Webseite mit dem Charakter eines öffentlichen Archives auch mehr als eine private Sammlung und geht in die Richtung einer „redaktionellen Nutzung“. Da der Fotograf auch als professioneller Fotograf tätig war, kann die MFM Honorarübersicht als Schätzgrundlage herangezogen werden. Das Gericht geht zunächst von 90,- Euro pro Foto für die redaktionelle Einblendung auf der Webseite aus und kommt dann über Zuschläge für Langzeitarchivierung und längere Nutzung auf insgesamt 180,- Euro pro Foto, so dass sich bei 24 Fotos ein Betrag von 4.320,- Euro ergibt. Hiervon ist ein Rabatt für einen reduzierten Paketpreis von rund 30% abzuziehen, so dass sich ein Grundhonorar von 3.000,- Euro ergibt. Dass die technische Möglichkeit besteht, die Fotos über die Funktion „speichern unter“ herunter zu laden, begründet keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch.

Daneben kann ein eigenständiger Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft (§§ 13, 97 Abs. 2 UrhG) beansprucht werden, der oft als 100% Zuschlag zum Grundhonorar berechnet wird. Einer der Gründe hierfür ist der Werbeeffekt für Folgeaufträge, der aber bei dem verstorbenen Fotografen naturgemäß entfällt. Das Gericht erkennt im konkreten Fall nur 25% Zuschlag als Schadensersatz für fehlenden Urhebervermerk an.

Die ergibt einen Gesamtschadensersatzanspruch von 3.750,- Euro.

Erstattung von Abmahnkosten

Hinzu kommt der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren für die Abmahnung. Die Gebühren werden nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Abhängigkeit vom Streitwert berechnet. Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem Wert der verschiedenen Ansprüche (Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft). Das Gericht gibt als Orientierungswert für den Unterlassungsstreitwert bei der gewerblicher Nutzung von einem Foto 6.000,- Euro an und bei der rein privaten Nutzung einen Wert von 3.000,- Euro. Bei 24 Fotos ergibt dies einen Streitwert zwischen 72.000,- – 144.000,- Euro für den Unterlassungsanspruch. Hinzu kommt ein Wert für den Schadensersatzanspruch von rund 92.000,- Euro und 5.000,- Euro für den Auskunftsanspruch. Das Gericht setzt nun den Gesamtgegenstandswert in Relation dazu, in welcher Höhe der Kläger die Klage gewonnen hat (beim Schadensersatzanspruch nur in Höhe von 3.750,- Euro statt rund 92.000,- Euro) und kommt zum Ergebnis, dass dem Kläger nur 53% der Abmahnkosten zustehen (rund 1.500,- statt 2.833,15 Euro).

Selbst wenn man Recht hat lohnt sich Klagen nicht immer, bzw. nicht in jeder Höhe

Das Gericht urteilt schließlich, dass der Kläger 95% der Prozesskosten zu tragen habe. Bei einem Streitwert von rund 197.000,- Euro ergibt das einschließlich Gerichtskosten rund 18.800,- Euro an Gesamtkosten und damit einem Anteil von rund 17.860,. Euro. Wenn man den Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.750,- Euro gegenrechnet, hat der Kläger zwar was den Unterlassungs- und grundsätzlichen Schadensersatzanspruch anbetrifft den Prozess gewonnen, wirtschaftlich bleibt er jedoch wegen des in der Höhe weit überwiegend abgewiesenen Schadensersatzanspruchs auf Kosten von rund 14.000,- Euro sitzen.

Jedoch kann der Sohn als Erbe – auch wenn ein Urteil immer nur zwischen den Parteien des konkreten Prozesses gilt – gestützt auf das Urteil, welches feststellt, dass sein Vater Urheber der Fotos war, die Rechte daran nicht abgelaufen sind und er diese als Alleinerbe geltend machen kann, gegen andere Rechtsverletzer vorgehen.

Fazit

Als Fazit bleibt festzuhalten:

  • Der Fotograf und nicht dessen Auftraggeber ist Urheber der Fotos.
  • Seit 1995 ist wegen der Schutzdauerrichtline praktisch jedes Fotos mit auch nur geringer einer eigener Schöpfung als Lichtbildwerk anzusehen, ohne dass es auf eine besondere Schöpfungshöhe erforderlich ist.
  • In Zweifelsfalls sollte man davon ausgehen, dass auch historische Fotos 70 Jahre p.m.a. geschützt sind und sich bei der Nutzung dieser Fotos um die Zustimmung des oder der Erben bemühen.
  • Wer als Nutzer von Fotos nicht die Rechtekette bis hin zum Urheber klärt und die erforderlichen Lizenzen einholt, handelt fahrlässig und damit schuldhaft und kann sich nicht auf gutgläubigen Erwerb berufen.
  • Die MFM-Honorarübersicht kann von den Gerichten in den darin geregelten Fällen als Schätzgrundlage herangezogen werden, wird jedoch nicht schematisch angewandt. Wenn ein Gericht in Anbetracht der Umstände des konkreten Falles die MFM-Honorare für unangemessen hoch hält, kann es den Schaden selbst auch niedriger schätzen. Allerdings muss ein Gericht einem angebotenen Sachverständigenbeweis über die übliche Vergütung nachgehen. Insgesamt ergibt sich aus dieser Situation jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit und ein erhebliches Kostenrisiko für die Urheber bzw. Rechteinhaber. Hier sollte man Maß und gesunden Menschenverstand walten lassen und den Bogen nicht überspannen, sondern – wenn es sich von den Gesamtumständen her aufdrängt – auch selbst Abschläge vornehmen.

David Seiler

Rechtsanwalt

Cottbus, den 31.07.2017

Erschienen in PHOTO Presse PP 10-2017, S. 16 – 17

Anmerkung zum Foto des Beitrages: Leni Riefenstahl hat im Altern von 71 Jahren noch ihren Tauchschein gemacht und anschließend zwei Bildbände mit Unterwasserfotos veröffentlicht. Da lag es nahe, ein Foto des Autors zur Bebilderung zu wählen; dies ist im August 2014 in einem Unterwasserfotokalender erschienen.