Umsatzsteuer bei urheberrechtlichen Abmahnungen – 7%, 19% oder 0%?

Umsatzsteuer bei urheberrechtlichen Abmahnungen – 7%, 19% oder 0%?

Umsatzsteuer bei urheberrechtlichen Abmahnungen – 7%, 19% oder 0%?

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Umsatzsteuer bei urheberrechtlichen Abmahnungen – 7, 19 oder 0%?

(siehe Update 05.10.21 und 6.5.2024 am Ende)

Muss der Urheber (mit der grammatikalisch männlichen Form sind selbstverständlich Frauen in gleichwertiger Weise mit gemeint.)  oder dessen Anwalt bei einer Abmahnung wegen Fotorechtsverletzungen Umsatzsteuer in Rechnung stellen und wenn ja auf welchen Teilbetrag und welcher Mehrwertsteuersatz – 0%, 7% oder 19% – ist der richtig? Mit dieser Frage musste sich der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigen.

Faustregel:

  • Abmahnkosten = 19%
  • Schadenersatz = 0%
  • aber Pauschalzahlung für Abmahnkosten + Schadensersatz = 19%

Die Urheberrechte des Fotografen

Der Fotograf ist Urheber der von ihm fotografierten Aufnahmen. Als Urheber steht ihm urheberrechtlicher Schutz für seine Fotos zu. Das Urheberrechtsgesetz gewährt dem Urheber das ausschließliche (exklusive) Recht, sein Werk (das Foto) in körperlicher und unkörperlicher Form zu verwerten, § 15 UrhG. Man spricht daher auch von Verwertungsrechten des Urhebers. Die wohl wichtigsten Verwertungsrechte sind das Vervielfältigungs-, das Verbreitungsrecht sowie das Recht zur Internetveröffentlichung = Online-Zugänglichmachung, § 19a UrhG. Wer eines dieser Rechte nutzen möchte, muss nach § 31 UrhG ein Nutzungsrecht erwerben, man spricht auch von einer Lizenz.

Fotorechtsverletzung und Reaktionsmöglichkeiten

Fotos ohne Zustimmung des Fotografen zu veröffentlichen, zu vervielfältigen, zu verbreiten, in Internet zu stellen oder in sonstiger Form zu nutzen, ist leider an der Tagesordnung (Fotorechtsverletzung). Sofern sich der Nutzer nicht auf eine gesetzliche Erlaubnis, eine sogenannte Schranke des Urheberrechts berufen kann, liegt eine Rechtsverletzung vor, gegen die der Urheber vorgehen kann. Die Möglichkeiten gegen Fotorechtsverletzungen vorzugehen, wurden bereits in Photopresse 06/2017, S. 12, dargestellt:

  1. Rechnung stellen
  2. Nachlizenzierung anbieten
  3. Abmahnung und Schadensersatzforderung

Werden Nutzungsrechte in Rechnung gestellt bzw. im Rahmen einer Nachlizenzierung abgerechnet, wird hierfür im Regelfall 7% Umsatzsteuer in Rechnung gestellt – Photopresse 11-2016, S. 16- 17 – hier abrufbar.

Umsatzsteuer für Abmahnung vor dem Bundesfinanzhof

Darüber, wie die Zahlungen des Rechtsverletzers an den Urheber, die als Ersatz für Abmahnkosten erbracht wurden, zu besteuern sind, hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 13.2.2019 zum Aktenzeichen XI R 1/17 entschieden.

Im Ausgangsfall hat ein Rechteinhaber zahlreiche Rechtsverletzer durch eine Anwaltskanzlei abmahnen lassen. Die Kanzlei machte dabei Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend und verlangte den Ersatz der Anwaltskosten für die Abmahnung. Zugleich bot sie an, gegen die Zahlung einer Pauschale von 450 Euro (netto) auf die gerichtliche Verfolgung der Ansprüche zu verzichten, wenn zugleich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Im Jahr 2010 gingen auf dem Fremdgeldkonto des Anwalts über 416.000.- Euro ein. 75% dieser Einnahmen stellte die Kanzlei der Rechtsinhaberin zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Die Rechtsinhaberin ging davon aus, dass Einnahmen von über 416.000,- Euro nicht der Umsatzsteuer unterliegen, ihr der Betrag also zu 100% zusteht und sie nicht davon 7 oder 19% Umsatzsteuer abführen muss. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung kam der Prüfer des Finanzamtes jedoch zum Ergebnis, dass die Einnahmen der Umsatzsteuer unterliegen und rund 32.000 Euro Umsatzsteuer für 2010 zu zahlen seien.

Umsatzsteuer auf Abmahnpauschale – Kostenerstattung umsatzsteuerpflichtig?

Die Frage ist also: Unterliegen die im Rahmen der Abmahnungen erzielten Geldeingänge ganz oder teilweise der Umsatzsteuer.

Dafür ist – so der BFH – entscheidend, ob die Zahlung ein Entgelt als Gegenleistung für die Erbringung von Leistungen darstellt oder als Schadensersatz anzusehen ist. Ob die Zahlung nach nationalem Recht als Schadensersatz, Konventionalstrafe oder wie im deutschen Urheberrechtsgesetz als Aufwendungsersatzanspruch qualifiziert wird, § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG ist unerheblich. Maßgeblich ist, wie die EU-Mehrwertsteuer-System-Richtlinie auszulegen ist.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der Rechteinhaberin Recht und entschied, dass die Abmahnungen nicht umsatzsteuerbar seien, dafür aber auch nicht die Vorsteuer aus der Anwaltsrechnung geltend gemacht werden könne.

Die BFH-Entscheidung zur Umsatzsteuer bei Abmahnkostenerstattung

Diese Entscheidung hob der Bundesfinanzhof auf und entschied stattdessen, dass die Zahlungen aus den Abmahnungen der Umsatzsteuer unterliegen und die Vorsteuer aus der Anwaltsrechnung gegengerechnet werden kann.

Der BFH definiert zunächst abstrakt, was der Umsatzsteuer unterliegt und was nicht:

Umsatzsteuerrelevant sind Leistungen gegen Entgelt: Typischerweise liegt eine „Leistung gegen Entgelt“ dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers tätig wird.

Weniger offensichtlich ist die Annahme, dass auch jemand ohne Auftrag für einen anderen tätig werden kann, wenn das in dessen Interesse liegt und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht, § 683 BGB. Man nennt das „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Und auch in diesem Fall kann man die (finanziellen) Aufwendungen, die man in Ausübung des Geschäfts des anderen gezahlt hat, ersetzt verlangen (Aufwendungsersatzanspruch). Die Aufwendung im Rahmen der Ausübung des Geschäfts des anderen wird als „Leistung gegen Entgelt“ eingeordnet, die der Umsatzsteuer unterliegt.

Kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts und damit umsatzsteuerfrei sind Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen. Darunter fallen auch Schadensersatzzahlungen wegen Urheberrechtsverletzungen nach § 97 UrhG (echter Schadenersatz, vgl. Umsatzsteueranwendungserlaß Ziff. 1.3) Das BMF schreibt hierzu als Anweisung an die Finanzämter wörtlich (BMFIII C 2 – S 7100/19/10001 :006 BStBl 2021 I S. 1859):

Der auf Grund der berechtigten Abmahnung geltend gemachte Schadensersatz ist dagegen als echter Schadensersatz nicht umsatzsteuerbar.

Die vorbereiteten Argumentationsbausteine nutzt der BFH nun, um zu dem wohl für viele überraschenden Ergebnis zu kommen:

„Eine berechtigte Abmahnung, in der die konkreten Verletzungshandlungen und die Sachbefugnis des Abmahnenden dargelegt werden, dient dahingehend dem objektiven Interesse und mutmaßlichen Willen des Verletzers, als der Rechteinhaber, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Verletzer damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden.“ (BFH, Rn 27)

Wenn ich also jemanden zu Recht wegen einer Urheberrechtsverletzung abmahne, so liegt das nach Auffassung des BFH im Interesse des Abgemahnten, ohne teures Gerichtsverfahren wieder ein rechtskonformes Verhalten zu zeigen, und ich erbringen ihm gegenüber eine Leistung mit drei Funktionen:

Warnfunktion vor einem drohenden Gerichtsverfahren, außergerichtliche Streitbelegungsfunktion und Prozesskosten-Vermeidungsfunktion. Diese „Abmahnleistung“ unterliegt der Umsatzsteuer. Durch die Abmahnung verschafft der Abmahner dem Abgemahnten den Vorteil, ohne teuren Prozess den Unterlassungsanspruch zu erfüllen. Offen blieb die Frage, ob der BFH es anders sieht, wenn zu unrecht abgemahnt wurde und ob der BFH sich aufschwingt zu beurteilen, ob eine Abmahnung zu recht erfolgt ist.

Umsatzsteuer auf kombinierte Pauschalzahlung?

Der Rechtsinhaber hat mit der Pauschale von 450 Euro einen nicht näher aufgeschlüsselten Betrag erhalten, in dem die Anwaltskosten für die Abmahnung, die Kosten für Auskünfte vom Provider und Schadensersatzzahlungen enthalten waren. Diesen Gesamtbetrag unterwirft der BFH nun der Umsatzsteuer, also auch den in der Pauschale enthaltenen, aber nicht näher ausgewiesenen Schadensersatzanteil denn:

„Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen, …“ (BFH, Rn 29).

Fragen, die der BFH mit Blick auf die Umsatzsteuer bei urheberrechtlichen Abmahnungen offen lässt:

Und damit beginnt das Problem: Man könnte ja sagen: ok, dann spalten wir künftig die Pauschale auf in z.B. 200,- Euro Anwaltskostenerstattung zzgl. 19% MwSt. und 250,- Euro Schadensersatz (netto) – oder gar: wir machen nur noch Schadensersatz pauschal in Höhe von 450,- Euro (netto) geltend. Wären dann die ganz oder teilweise als Schadensersatz bezeichneten Beträge umsatzsteuerfrei oder würden die Beträge unter „alle hierfür (die Abmahnung) erhaltenen Zahlungen“ fallen? Zudem stellt sich die Frage, ob die Entscheidung nur auf künftige Fälle angewendet wird oder – was insbesondere diejenigen, die viel abmahnen und deren Anwälte befürchten – ob es auch bis zu 10 Jahre zurück angewendet wird. Schließlich bleibt offen, wie zu verfahren ist, wenn nur ein Teilbetrag oder gar nicht gezahlt wird. Wird der gezahlte Teilbetrag auf den Schadensersatz- oder den Aufwendungsersatz-Anspruch „gebucht“?

Wie geht es weiter nach der BFH Entscheidung zu Umsatzsteuer bei Abmahnungen?

Vertreter von Urhebern, Rechteinhabern, deren Verbände und Anwaltskanzleien, die ein Haftungsrisiko bei sich sehen, versuchen diese Fragen mit dem Bundesfinanzministerium zu klären und eine Rückwirkung zu vermeiden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Gericht in der ersten Instanz die Meinung teilte, dass die aufgrund der Abmahnung erhaltenen Pauschalzahlungen umsatzsteuerfrei waren, war diese Auffassung wohl nicht ganz abwegig. Daher sollte das BFH-Urteil aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Fairness nicht rückwirkend zulasten der Urheber und sonstigen Rechtsinhaber angewendet werden.

Bis dahin ist Vorsicht bei Pauschalen und fachkundige Steuer(rechts-)beratung angesagt. Es steht zu befürchten, dass die nach der BFH-Entscheidung entstandene Rechtsunsicherheit dazu führt, dass Urheber davor zurückschrecken, Abmahnungen auszusprechen und stattdessen Rechnungen stellen oder Nachlizenzierungen anbieten.

Update 25.08.2022

Eine gegen die BFH-Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Az. 1 BvR 1327/19, Beschluss vom 27.12.2019.

Das Bundesfinanzministerium hat im Nachfang zur BFH Entscheidung ein Schreiben veröffentlicht, Schreiben vom 01.10.2021, Az III C 2 – S 7100/19/10001:006 DOK 2021/0998752. Darin wird festgehalten, dass die Abmahnung eine Leistung ist, die dem Regelsteuersatz (19%) unterliegt. Diese Feststellung wurde auch in den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) aufgenommen:

  1. In Abschnitt 1.3 wird nach Absatz 16 folgender Absatz 16a eingefügt:„(16a) 1 Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, und Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteile vom 21. 12. 2016, XI R 27/14, BStBl 2021 II S. XXX, und vom 13. 2. 2019, XI R 1/17, BStBl 2021 II S. XXX). 2 Im Fall einer unberechtigten Abmahnung schuldet der Abmahnende die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG, wenn und solange er diese in einer Rechnung ausgewiesen hat.“

  2. In Abschnitt 13.1 wird nach Absatz 6 folgender Absatz 7 angefügt:

    „(7) 1 Eine Abmahnleistung im Sinne des Abschnitts 1.3 Abs. 16a gilt mit dem Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten als ausgeführt. 2 Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in demjenigen Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde (vgl. BMF-Schreiben vom XX. XX. 2021, BStBl I S. XXX).“

Der BGH schließt sich der Rechtsprechung des BFH an, BGH, Hinweis-Beschluss vom 21.01.2021, Az. I ZR 87/20:

Rn 5: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stelle die Abmahnung eine umsatzsteuerbare Leistung dar. … Der Klägerin stehe zwar im Hinblick auf die in der Rechnung ihrer mit der Abmahnung beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ausgewiesene Umsatzsteuer ein Vorsteuerabzug zu.

Rn 10: Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren. … Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, ist auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen und findet insbesondere auch im Kennzeichenrecht Anwendung …

 Rn 12: … es wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Folge dieser Rechtsprechung künftig zwei Rechnungen geschrieben werden müssen: Die Rechtsanwältin, die den Rechtsverletzer im Auftrag des Rechtsinhabers abgemahnt hat, rechnet in eigenem Namen gegenüber dem Rechtsinhaber ab. Dieser rechnet sodann über seine eigene Leistung („Vermeidung eines Gerichtsverfahrens“) gegenüber dem Abgemahnten ab.

Die in der Rechnung an den Abgemahnten ausgewiesene Umsatzsteuer muss der Rechtsinhaber an das Finanzamt abführen; er kann aber die in der Rechnung seiner Bevollmächtigten enthaltene Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen

Literaturhinweis: Schmittmann, BGH, BFH und BMF in seltener Eintracht bei umsatzsteuerlicher Behandlung von Abmahnungen, Editorial K&R 11/2021,

Update11.03.2020:

Umsatzsteuer bei Ausfallhonorar

Wenn ein Fotoauftrag – z.B. einen Messestand zu fotografieren – zum Auftraggeber im Vorfeld abgesagt wird, weil z.B. die Messe wegen Corona, Covid19 abgesagt wurde, und der Fotograf ein Ausfallhonorar erhält, stellt sich die Frage, welcher Steuersatz auf das Ausfallhonorar anzuwenden ist. M.E. liegt es nahe, von einem echten und damit nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Schadensersatz auszugehen (vgl. zum Ausfallhonorar bei Arztterminen). Der BGH hat schon 2007 (Urteil vom 22.11.2007, Az. VII ZR 83/05) entschieden, dass dieses Honorar nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Diese Sicht bestätigt auch der BFH mit Urteil vom 11.02.2010, Az. V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 10, 765, vgl. BFH 16.01.2014, Az.  V R 22/13.

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen 28.02.2019 5 K 214/18, BBK 2/2020 S. 54, meint jedoch: Das Ausfallhonorar, das der Werkunternehmer wegen vorzeitiger Kündigung des Werkvertrags erhält, unterliegt der Umsatzsteuer. Ein Ausfallhonorar beruht nämlich auf einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch. Es handelt sich daher nicht um nicht steuerbaren Schadensersatz. Der Steuerzahler ist gegen diese Entscheidung vorgegangen. Die Frage, über die entschieden wird, ist also, ob das Ausfallhonorar bei einem gekündigten Werkvertrag für eine Leistung (welche soll das sein?) gezahlt wird und damit der Umsatzsteuer unterliegt, oder ob es sich um echten Schadensersatz handelt, der steuerfrei ist. Das Verfahren ist noch vor dem Bundesfinanzhof anhängig. Vorsichtig handelt, wer vorsorglich die Umsatzsteuer (19 % statt 7%) mit in Rechnung stellt.

Update 24.08.2022

Der BFH hat entscheiden (BFH, Urteil vom 26.08.2021, Az. V R 13/19), dass Ausfallhonorar dann der Umsatzsteuer unterliegt, soweit bereits (Teil-)Leistungen erbracht wurden; für noch nicht erbrachte Leistungen ist das Ausfallhonorar hingegen steuerfreier Schadensersatz. Haben die Parteien die Zahlung nur deshalb in zwei Teilbeträge aufgeteilt, um die Umsatzsteuer zu verringern oder zu vermeiden, wird die gesamte Zahlung der Umsatzsteuer unterworfen. Wichtig ist auch die Frage, ob der Auftraggeber den Werkvertrag gekündigt hat (dann entstehe der steuerfreie Anspruch auf Ausfallhonorar) oder ob sich die Parteien auf eine Aufhebung gegen Entgelt verständigt haben (dann verzichtet der Auftragnehmer gegen Entgelt auf seine Rechtsposition und das Entgelt kann als steuerbare Leistung angesehen werden). siehe hierzu auch

Das LG Hamburg hat in der Entscheidung, Urt. v. 27.04.2022 – Az.: 316 HK O 108/21, die Abmahnkostenerstattung auch im Wettbewerbsrecht als Leistung der Umsatzsteuer unterliegt.

David Seiler, Rechtsanwalt – www.fotorecht-seiler.eu

ursprünglich veröffentlicht in: PHOTO Presse 07-2019, 12 – 13

Update 05.10.2021

Das Bundesfinanzministerium BMF hat am 01.10.2021 ein Schreiben zum Thema „Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen“ veröffentlicht – GZ III C 2 – S 7100/19/10001 :006

Zur Bemessungsgrundlage: In der Abmahnung sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche in Schadensersatz und Aufwendungsersatz aufzuschlüsseln. Sollte entgegen § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG keine Aufschlüsselung erfolgen, ist der Pauschalbetrag insgesamt als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt zu behandeln.

Die Abmahnleistung (des Anwalts) unterliegt dem allgemeinen Steuersatz, also aktuell 19%. Die Grundsätze des Schreibens werden auf alle noch offenen Steuerfälle angewendet. Bezüglich der so wichtigen Frage der Rückwirkung schreibt das BMF:

Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem
1. November 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d. h. auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen.

Update 6.5.2024

BFH muss über Umsatzsteuerfreiheit von Schadenersatzzahlungen entscheiden

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – Az. 5 K 7144/20, 29.08.2023, hat entschieden, dass alle Zahlungen in Folge einer urheberrechtlichen Abmahnung und zwar auch die Schadensersatzzahlungen als „Leistung des Abmahnenden“ mit 19% Umsatzsteuer zu versteuern sind.

Leitsatz 2:

Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen. Unerheblich für die Einordnung als steuerbares Entgelt ist die Bezeichnung der zu leistenden Zahlungen im Abmahnschreiben oder ob die Zahlungen als Schadensersatz iSd § 97 Abs. 2 UrhG geltend gemacht werden könnten. …

Damit hat sich das Gericht gegen das hier dargestellte BMF-Schreiben und die herrschende Meinung in der juristischen Literatur gestellt. Da die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen wurde, hat dieser nun Gelegenheit ausdrücklich über folgende Frage zu entscheiden:

Sind Schadensersatzzahlungen eines Abgemahnten, die dieser gem. § 97 Abs. 2 UrhG als Kompensation für die unerlaubte Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken (hier von Fotos, die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG urheberrechtlich geschützt sind) zahlt, als umsatzsteuerrechtliches Entgelt zu qualifizieren?

Würde der BFH die Frage bejahen und damit eine als echten Schadensersatz zu qualifizierende Zahlung, die folglich umsatzsteuerfrei ist, der Umsatzsteuer unterwerfen und zwar selbst dann, wenn der Schadensersatzbetrag gesondert berechnet und benannt wurde, wäre das eine echt Überraschung.

Der BFH hat am 03.05.2024, Az. V R 19/23 entschieden; leider liegt der Volltext noch nicht vor.  Es gibt lediglich den Hinweis, dass sich das Verfahren durch die Erledigung der Hauptsache erledigt habe.