Fotorechtsverletzung und Schadensersatz – Urteile zu MFM Tabelle

Fotorechtsverletzung und Schadensersatz – Urteile zu MFM Tabelle

Fotorechtsverletzung und Schadensersatz – Urteile zu MFM Tabelle

MFM Urteile, Schadensersatz, Lizenzanalogie, Urheberrecht, Fotorechtsverletzung, Streitwert, OLG Köln, BGH

Teil 2 – Fotorechtsverletzungen: Aktuelle Urteile zur Anwendbarkeit der mfm-Honorarliste bei Schadensersatzberechnung (siehe Teil 1)

Fall 1: Amateurfoto eines Sportwagens vor dem Bundesgerichtshof (BGH)

Im vom BGH entschiedenen Fall (BGH, Sportwagenfoto, 13.09.2018, Az. I ZR 187/17) ging es um ein Amateurfoto eines Sportwagens auf einem Parkplatz mit störendem Hintergrund, welches der Fotograf aufgenommen und auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte. Dieses Foto wurde von einem Großmarkt bearbeitet und für die Bewerbung einer Veranstaltung auf dessen Webseite veröffentlicht. Nach einer Abmahnung gab der Großmarkt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, zahlte aber keinen Schadensersatz. Das Foto wurde zu dem auf einer weiteren, fremden Webseite veröffentlicht, wofür der Fotograf eine Vertragsstrafe von dem Großmarkt forderte.

Schätzung der Schadensersatzhöhe – mfm bei Amateurfotos?

Statt der geforderten 450,- Euro Schadensersatz für das Bild erkannte das Amtsgericht nur 100,- Euro zu, was nun auch der BGH bestätigt hat. Der BGH bestätigte, dass die Vorinstanz zu Recht den Schadensersatz nicht auf der Grundlage der mfm-Tabelle berechnet hat. Es sei nicht ersichtlich, dass die mfm- Empfehlungen „üblicherweise zur Bestimmung der Vergütung für eine Nutzung von Fotografien im Internet Anwendung finden, die nicht von professionellen Marktteilnehmern erstellt worden sind“ (Ergo – mfm gilt nicht für Amateurfotos). Wenn es keine branchenüblichen Vergütungssätze oder Tarife gebe, müsse das Gericht unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach seiner freien Überzeugung die Schadenshöhe schätzen. Auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen farblichen und kompositorischen Ausgewogenheit des Fotos, zu den Proportionen und zur Wahl des Bildausschnitts sowie zur Tiefenschärfe und Beleuchtung handele es sich um einen einfachen Schnappschuss für den 100,- Euro angemessen sei. Zahlreiche störende Elemente, die im bearbeiteten Foto entfernt oder verdeckt wurden, spräche sogar gegen eine bewusste professionelle Gestaltung. Dies könne die Vorinstanz auch ohne Sachverständigengutachten erkennen.

Schadenersatz für fehlenden Urhebervermerk, § 13 UrhG, § 97 UrhG

Statt der geforderten 100% = 450,- Euro für den fehlenden Urhebervermerk erkannte das Gericht nur 100,- Euro als zweite Schadensersatzposition an. Das sind aber immerhin 100% des für die Fotorechtsverletzung zugesprochenen Schadensersatzes von ebenfalls 100,- Euro für den fehlenden Urhebervermerk. Auch hierüber gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen bei den Gerichten. Um so erfreulicher ist es aus Fotografensicht, dass die 100% nun vom BGH nochmals bestätigt wurden.

Ersatz der Abmahnkosten (außergerichtlichen Kosten)

Als Gegenstandswert für die Berechnung der Abmahnungskosten durfte ein Gegenstandswert von 6.000,- Euro angesetzt werden. Die gewerbliche Nutzung des Fotos war dabei zu berücksichtigen.

Vertragsstrafe bei Rechtsverletzung durch Dritte

Wenn die neuerliche Rechtsverletzung auf der Webseite eines anderen als demjenigen erfolgt, der im Verletzungsfall die Vertragsstrafe versprochen hat (der Großmarkt), ist keine Vertragsstrafe fällig. Für die Webseite des Dritten ist dieser und nicht der Großmarkt verantwortlich.

Falls 2: Profifotos vom Palast der Republik vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln

Das OLG Köln hatte über 52 Fotos eines Profifotografen zu entscheiden, die mit einem Verlagsvertrag rechtmäßig in einem Bildband über den Palast der Republik 2010 veröffentlicht waren, aber ohne Zustimmung des Fotografen über das Internetbildarchiv von Universitäten und Museen (Prometheus) online abrufbar waren (OLG Köln, Palast der Republik, 11.01.2019, Az. 6 U 10/16). Das Bildarchiv, betrieben von einem gemeinnützigen Verein, gab eine Unterlassungserklärung ab, so dass es nur noch um die Frage ging, ob und in welcher Höhe Schadensersatz zu zahlen ist. Der Fotograf machte für 52 Fotos insgesamt 23.452,- Euro Schadenersatz geltend, also 451,- Euro pro Bild, berechnet nach der Honorartabelle der mfm 2011.

Die Beklagte verteidigt sich zunächst ganz grundlegend damit, dass der Fotograf nicht berechtigt sei, gegen sie zu klagen (ihm die sogenannte Aktivlegitimation fehle), da er seine Rechte an seinen Fotos an den Verlag mit Verlagsvertrag und an die VG Bild-Kunst (VG = Verwertungsgesellschaft) mit Wahrnehmungsvertrag abgetreten habe. Mit der VG Bild-Kunst habe die Beklagte einen Lizenzvertrag. Nachdem das Gericht geklärt hatte, dass sich der Verlagsvertrag nicht auf die Internetveröffentlichung einzelner Fotos bezieht und der Vertrag der VG Bild-Kunst sich auf Fotos von Gemälde bezieht, aber nicht auf die Fotos des Klägers, ging es um die Frage, ob sich der Schadensersatz nach den Tarifen der VG Bild-Kunst richtet oder die mfm-Tabelle zur Anwendung kommen kann.

Streitwert

Der Kläger verlangt auf der Basis eines Gegenstandwertes von knapp 310.000,- Euro die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (Abmahnkosten). Normalerweise setzt das Gericht bei Einzelfotos einen Streitwert als Berechnungsgrundlage für Anwalts- und Gerichtskosten i.H.v. 5.000 bis 6.000,- Euro fest. Wird eine größere Anzahl von Fotos – bzw. den Rechten daran verletzt, geht das Gericht jedoch von einem geringeren Streitwert pro Bild aus, bei 31 Fotos z.B. von 3.000,- Euro. Diesen Betrag hält das Gericht auch noch bei 52 Fotos für angemessen und kommt damit auf einen Streitwert von 156.000,- Euro für den Schadensersatzanspruch. Hinzu kommt der Wert des Auskunftsanspruchs, den das Gericht mit 10% des Streitwerts ansetzt. Im Ergebnis steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von 2.280,70 Euro vorgerichtlicher Anwaltskosten zu, statt der geltend gemachten 2.974,40 Euro.

Rechtsverletzung und Schadensschätzung

Das verklagte Bildarchiv hat das Vervielfältigungsrecht, § 16 UrhG, durch Speichern auf dem Bildserver und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG, durch die Abrufmöglichkeit via Internet (und sei es nur im Rahmen eines Testzugangs) verletzt. Ob das bei dem gemeinnützigen Trägerverein ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt ist, ist unerheblich.

Das Gericht schätzt den Schaden statt auf rund 23.000 Euro nur auf 14.872 Euro. Dabei sieht das Gericht die mfm-Bildhonorartabelle „ausnahmsweise“ als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung. Für die Anwendung der mfm-Honorarübersicht spricht nach Auffassung des OLG Köln, dass der Fotograf „gewerblich“ tätig ist (gemeint ist wohl eher beruflich und nicht im steuerrechtlichen Sinne gewerblich), die Bilder in jeder Hinsicht professionell sind und sich – nachdem das Gebäude abgerissen ist – die Aufnahmen nicht mehr wiederholen lassen. Zudem konnte der Fotograf durch Vorlage vergleichbarer Rechnungen eine eigene Lizenzierungspraxis in diesem Preisniveau nachweisen. Das Gericht schätzt vor diesem Hintergrund den Schadensersatzbetrag auf 286,- Euro je Bild = 14.872,- Euro. Das Gericht geht dabei von einer Nutzungsdauer von 3 Jahren aus und setzt dafür 220,- Euro an. Da die Kantenlänge mehr als 520 Pixel betrug, erfolgte ein Zuschlag von 30%.

Interessant ist auch ein Entscheidungsdetail: Der Anspruch auf Verzinsung des Schadensersatzbetrages besteht nicht erst ab Klage, sondern bereits ab Nutzungsbeginn, da die Lizenz bereits vor Nutzungsbeginn hätte bezahlt werden müssen und der Verletzer nicht bessergestellt werden soll, als der rechtstreue Nutzer.

Fazit und Kritik

Bei den mfm-Bildhonoraren handelt es sich nicht um eine Empfehlung. Vielmehr lautet der vollständige Titel der Publikation: „Bildhonorare – Übersicht der marktüblichen Vergütungen für Bildnutzungsrechte“. Diese Übersicht wurde auch nach entsprechender Kritik auf eine möglichst breite Ermittlungsbasis für marktübliche Honorare und Honorarspannen gestellt. Die Kritik an der Objektivität der MFM-Honorarübersicht in älteren Urteilen auch nach Änderung des Prozesses zur Ermittlung der Honorare unreflektiert und ungeachtet der erfolgten Änderungen zu wiederholen, ist schon in sich fragwürdig.

Zudem ist es grundsätzlich kritikwürdig darauf abzustellen, ob es sich um einen Amateurfotografen oder einen Profifotografen handelt. Entschädigt werden soll die rechtswidrige Nutzung, so dass der Fokus der Betrachtung mehr auf der professionellen Nutzung als auf der Ausbildung oder den Beruf des Fotografen liegen sollte. Es gibt durchaus Fotoamateure oder nebenberufliche Fotografen, die sowohl gestalterisch als auch technisch mit Profis mithalten können oder gar besser sind. Aber selbst wenn sich ein Bildnutzer bewusst für einen Schnappschuss eines Amateurs entschieden hat, mag der für ihn doch genau so wertvoll sein, wie ein Profifoto. Gerade vermeintlich technisch oder gestalterische Mängel mögen für Authentizität, Glaubwürdigkeit und Wärme und damit Werbewert eines Bildes sprechen als ein perfektes, technisch fehlerfreies und inszeniertes Bild. Wäre der Schnappschuss nicht als werbewirksam eingeschätzt worden, hätte der Großmarkt sicherlich ein professionelleres Foto wählen können. Es befremdet daher, wenn nicht dem Grundsatz des Urheberrechts, dass er angemessen am wirtschaftlichen Wert seines Schaffens zu beteiligen ist, Rechnung getragen wird, sondern man – sachfremd – auf den Amateurstatus – oder umgekehrt auf den Status als Profifotograf, wo auch immer die Grenze sein mag, abstellt.

Die Entscheidungen zeigen weiter, dass man wohl mit der Unsicherheit leben muss, ob im konkreten Fall die mfm-Honorare als Grundlage der Schadensschätzung gemacht werden oder nicht. In dem Fall, ob das Gericht von einem Regelstreitwert vom 6.000,- Euro ausgeht und welchen Abschlag davon man bei welcher Anzahl von Fotos machen muss. Das wirtschaftlich praktische Problem dabei ist, dass der Fotograf, dessen Anwalt einen zu hohen Streitwert ansetzt oder einen vom Gericht als zu hoch eingeschätzten Lizenzschaden geltend macht, auf den Anwalts- und Gerichtskosten des Betrages, mit dem er vor Gericht unterliegt, sitzen bleibt. Wenn es schlecht läuft, fressen die Kosten für den unterlegenen Teil den erzielten Schadensersatzbetrag auf.

Diese Unsicherheit mag den ein oder anderen Fotografen davon abhalten, überhaupt eine Forderung zu stellen, bzw. zu versuchen diese durchzusetzen. Oder sie trägt dazu bei, dass nicht eine vom Gericht im konkreten Fall sogar akzeptierte höhere Forderung geltend gemacht wird, sondern man vorsichtshalber nur einen niedrigeren Betrag einklagt. Beides befördert jedoch die Rechtsverletzung. Zumindest geben die beiden Entscheidungen eine grobe Orientierung für künftige Fälle.

Eine Initiative von Fotoverbänden hat sich jüngst mit der Forderung nach der Einführung eines sogenannten doppelten Schadensersatzes an die Politik gewandt (Forderungspapier). Diese Forderung besteht schon lange. Der EuGH hat mit einer Entscheidung, die eine entsprechende Regelung im polnischen Urheberrechtsgesetz als vereinbar mit der Urheberrechtsrichtlinie ansieht, den Weg für eine vergleichbare Regelung auch in Deutschland frei gemacht.

David Seiler

Rechtsanwalt, Cottbus den 19.02.2019

siehe auch:

Schadensersatz nach MFM für rechtswidrige Internetnutzung von Architekturfotos trotz Gutgläubigkeit