Fischer Fotos und die Schutzfristen
Durfte ein Foto von 1973 wegen Ablauf der Schutzfristen 2001 ohne Zustimmung des Fotografen genutzt werden?
Der langjährige FAZ-Fotograf Lutz Kleinhans hatte 1973 den jetzigen (update: 1998 – 2005) Bundesaußenminister Joschka Fischer fotografiert, als er bei einer Demonstration einen Polizisten geschlagen hatte. Diese Fotos wurden erstmals im April 1973 in FAZ und Wirtschaftswoche abgedruckt. Diese Fotos hatte sich Bettina Röhl laut einer dpa Meldung vom 10.01.2001 gegen eine Archivgebühr ausgeliehen und wollte über den Abdruck in ihrem Buch „Sag mir, wo Du stehts“, verhandeln. Den Verlagsvertrag über dieses Buch hat der Kiepenheuer & Witsch Verlag, bei dem auch Fischer Autor ist, zwischenzeitlich aus wichtigem Grund fristlos gekündigt (dpa Meldung vom 12.01.2001). Frau Röhl bot das Foto ohne Zustimmung des Fotografen für einen 5 bis 6 stelligen Betrag „Stern“ und „Bild“ an, die es Anfang Januar abdruckten. Hiergegen und gegen die Zugänglichmachung des Fotos auf ihrer Webseite erwirkte der Fotograf am 10.01.2001 vor der 3.ten Kammer des Landgerichts Frankfurt eine einstweilige Verfügung, wonach die Fotos nicht mehr ohne Zustimmung des Fotografen verbreitet werden dürfen.
Schutzfristen von Fotos: 25, 50 oder 70 Jahre?
Wenn der Sachverhalt, soweit er aus den Medien zu entnehmen ist, zutrifft, hatte die Autorin lediglich das Recht zur Layoutnutzung des Fotos mit einer Option bzw. einem Vorvertrag über die Nutzungsrecht zum späteren Abdruck des Fotos im Buch. Zunächst muß man jedoch prüfen, ob das Fotos noch rechtlich geschützt und nicht zwischenzeitlich durch Ablauf der Schutzfristen gemeinfrei geworden ist. Denn 1973 gab es noch die erst 1995 aufgehobene Unterscheidung zwischen einfachen Lichtbilder, die nur 25 Jahre geschützt waren, und Lichtbilder, die Dokumente der Zeitgeschichte sind und seit 1985 50 Jahre lang Schutz genießen. Als Dokument der Zeitgeschichte gilt alles was von der Öffentlichkeit, auch im Nachhinein, beachtet wird, so dass das Fischer-Foto also noch zumindest leistungsschutzrechtlich, wenn nicht gar urheberrechtlich geschützt ist.
Kein gutgläubiger Erwerb von urheberrechtlichen Nutzungsrechten
Der Fotograf hatte daher noch die Möglichkeit, zeitlich, räumlich und inhaltlich beschränkte Nutzungsrechte an dem Foto einzuräumen. Diese können sich auf die Abdruckrechte in einem Buch beschränken. Ein derartiges Recht beinhaltet im Regelfall nicht das Recht, Lizenzen zum selbständigen Abdruck in einer Zeitung oder Zeitschrift einzuräumen. Allenfalls könnte man annehmen, dass ein Abdruck zur Werbung für das Buch zulässig sei. Davon wird man jedoch im Normalfall lediglich bei dem Cover-Foto ausgehen können. Wenn die Rechtslage so ist, stehen dem Fotografen insbesondere zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz zu und zwar nicht nur gegen Frau Röhl, sondern auch gegen die Verlage. Wenn Frau Röhl nicht das Recht hatte, eine Lizenz zum Abdruck der Fotos an Verlage zu vergeben, konnten diese auch keine Abdruckrechte erwerben, da es einen gutgläubigen Erwerb von Nutzungsrechten nicht gibt. Beide Printmedien haben nach Angaben der FAZ vom 8.1.2001 angekündigt, das Honorar nicht an Frau Röhl, sondern an den Fotograf auszuzahlen.
Recht am eigenen Bild bei Archivfotos
Die Rechte des Fotografen an dem Foto ist jedoch nur die eine Seite, die andere sind die Bildnisrechte (Recht am eigenen Bild) der abgebildeten Personen, § 22 KUG (Kunsturhebergesetz). Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist die Veröffentlichung jedoch zulässig, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, also eine Person in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht. Dies war 1973 bei dem Foto zweifelsfrei der Fall, so dass die damalige Veröffentlichung in Zeitungen zulässig war. Die Abbildungsfreiheit besteht jedoch nur – abhängig von der Bedeutung des Ereignisses – für einen gewissen Zeitraum und wird noch durch die berechtigten Interessen des Abgebildeten, z.B. sich gegen Darstellungen mit negativer Tendenz zu wehren, eingeschränkt, § 23 Abs. 2 KUG. Vor diesem Hintergrund ist es zweifelhaft, ob eine erneute Veröffentlichung des Fotos nach mehr als 25 Jahren noch zulässig ist. Dafür sprechen jedoch die Bedeutung des Ereignisses in Anbetracht der Position von Fischer und insbesondere der aktuelle Bezug zwischen der Abo-Zeit, der Person Fischer und seiner Zeugenaussage bei dem Terroristen-Prozeß gegen Hans-Joachim Klein.
Rechtsanwalt David Seiler, Mainz, den 07.02.2001
Veröffentlicht in visuell 2/2001, S. 70