Die Hitparade der Schmerzensgelder
von RA David Seiler und Stefan Hartmann – siehe zum Update Teil 2
Teuer wird es, wenn es um nackte Tatsachen geht. Noch teurer, wenn Prominente betroffen sind. Am Teuersten wird es immer dann, wenn gleich beide Kriterien treffen: nackte Promis … dann addieren sich die Schmerzen.
Die Rechtsprechung der letzten Jahre folgt der deutlichen Tendenz, die Höhe des Schmerzensgeldes bei Verletzung des Rechts am eigenen Bild zunehmend höher anzusetzen. Eigentlich ist das Schmerzensgeld ja als Wiedergutmachung für entstandene seelische Verletzungen gedacht, die einem Menschen – sei er prominent oder nicht – durch eine nicht gerechtfertigte Veröffentlichung seines Bildes in den Medien entstehen.
Doch die Entwicklung der Summen legt den Verdacht nahe, das Schmerzensgeld möge – neben der gesteigerten Genugtuung für seelischen Schaden – auch in die Dimension einer “abschreckenden Wirkung” aufsteigen.
Am praktischen Erfolg der Abschreckung darf ruhig gezweifelt werden: Dass die Beträge auch in der jetzt erreichten Höhe beileibe nicht immer zum gewünschten Erfolg führen, zeigen jene Beispiele, bei denen trotz entgegenstehender Willenserklärungen der Betroffenen, festen Vereinbarungen oder gar gerichtlichen Entscheidungen die inkriminierten Fotos in den Medien veröffentlicht werden. Für solche Fälle gibt es ja wohlgefüllte Kampfkassen. Denn “Promis machen Auflage”, bringen Quote.
Und im Anschluss an das Wettrennen um das schärfste Promi-Bild läuft das sportliche Rennen der Promi-Anwälte: Wer erstreitet für seine illustren Klienten das maximale Schmerzensgeld? Und schafft es, seinen Sieg – gleichfalls unter Blitzlichtgewitter – öffentlichkeitswirksam in den Medien zu platzieren?
Verkündete der Hamburger Staranwalt Matthias Prinz, er habe mit 100.000 Euro für Caroline von Monaco das bis dahin höchste Schmerzensgeld für Fotoveröffentlichungen in Deutschland erstritten, so wurde das Sümmchen nur wenige Wochen später von Kollegen aus Frankfurt, Olivia Alig und Udo Kornmeier, getoppt: 255 645 Euro und 94 Cent für ihre Mandantin Sabrina Setlur.
§ 847 BGB [Schmerzensgeld]
(Anmerkung – inzwischen aufgehoben – jetzt § 253 BGB)
(1) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
§ 253 BGB Immaterieller Schaden
Hitliste – Schmerzensgeldtabelle wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
- 256.000,- Euro von ”Max” an Sabrina Setlur für Veröffentlichung von Nacktfotos, die zwar für Max angefertigt wurden, bei denen Frau Setlur jedoch zuvor die Zustimmung zur Veröffentlichung wegen Nichtgefallen widerrufen hatte. (LG Hamburg, 324 O 280/01).
- Autovermieter Sixt hatte nach dem Ausscheiden des früheren Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine aus dem Bundeskabinett im März 1999 eine Anzeige mit dem Slogan ”Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit” und einem Foto von Lafontaine ohne dessen Zustimmung veröffentlicht. Wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung aus eigenem Gewinnstreben sprach das LG Hamburg ein Schmerzensgeld von Euro 100.000.- aus. (Wegen anderer Werbeanzeigen mit seinem Foto verglich sich der Ex-Minister jeweils in Höhe von DM 100.000.- mit der Direkt Anlage Bank und dem Jet-Tankstellenbetreiber Concon.)
- DM 200.000 von ”Gala” und DM 180.000 von ”Bunte” an Caroline von Monaco wegen mehrerer persönlichkeitsrechtsverletzender Fotoveröffentlichungen. (OLG Hamburg, 3 U 60/93; OLG Hamburg 7 U 138/99)
- DM 150.000.- Entschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Schriftstellerin Hera Lind durch Bildveröffentlichung von Nacktfotos mit ihren Kindern und Lebensgefährten an einem entlegenen Strand (LG Hamburg, 324 O 68/01)
- Die Schadenshöhe bei rechtswidriger Verwendung eines Bildes von Boris Becker zu Werbezwecken (Werbeprospekt als Zeitungsbeilage) ohne dessen Zustimmung beläuft sich als Schadensersatz nach der Lizenzanalogie auf DM 158.000.- (LG München I, 21 O 12437/99)
- Initation von Sänger Ivan Rebroff mittels eines Doubles für Müller-Milch- Werbung: Hier sprach das LG Offenbach aufgrund einer entgangenen Gage von DM 250.000,- einen Teilbetrag in Höhe von DM 100.000,- wegen unerlaubter Handlung und als Bereicherungsausgleich zu. Das OLG Karlsruhe ermittelte schließlich eine fiktive Lizenzgebühr von DM 155.000,-. (ZUM-RD 1998, 453)
- Daewoo hatte mit einem Foto der Fußballnationalmannschaft aus dem Endspiel 1954 in Bern geworben. Der Autohersteller kann sich nicht auf den zeitgeschichtlichen Charakter des Fotos berufen und muss fünf abgebildeten Personen zusammen Euro 75.000,- Schadensersatz wegen ihres hohen Werbewertes zahlen. (LG München I, 21 O 4059/02)
- Caronline von Monacos Tochter, Alexandra, erhielt für die unerlaubte Veröffentlichung von Paparazzi-Bildern DM 150.000,- Entschädigung. Die Bilder vom Verlassen der Geburtskinik waren in den Zeitschriften ”Die Aktuelle” und ”Die Zwei” veröffentlicht worden. (LG Berlin, 10 U 40/02)
- TV Moderator Stefan Raab hatte die 16jährige Schülerin Lisa Loch, die bei einer Miss-Wahl teilgenommen hatte, in TV-Total allein aufgrund Ihres Namens in die Nähe der Pornobranche gerückt: Euro 70.000,- Schmerzensgeld (OLG Hamm, Az.: 3 U 168/03)
- Das Nachstellen einer Filmszene aus dem Film ”Der blaue Engel” mit einem Double verletzt auch 10 Jahre nach dem Tod der Schauspielerin Marlene Dietrich noch ihr postmortales Persönlichkeitsrecht. Festsetzung der angemessenen Lizenzgebühr für die Verwendung der Figur des ”Blauen Engel” in einer bundesweiten Werbung für Kopiergeräte mit dem blauen Umweltengel auf 70.000 Euro. Zu zahlen an die Erben. (OLG München, 21 U 2664/01)
- Beleidigung durch Sex-Spiel im Internet: Klick die Ermakova, Geldentschädigung von Bild über DM 90.000.- für die Mutter einer Tochter von Boris Becker (LG München I, 9 O 11617/01)
- Das LG Berlin sprach der Freundin von Herbert Grönemeyer ein Schmerzensgeld in Höhe von Euro 25.000,- zu, weil die Bild-Zeitung Privatfotos von ihr auf der Titelseite abgedruckt hatte. Als Bild trotz einer einstweiligen Verfügung ein weiteres Foto des Paares auf der Titelseite druckte, kam durch das Kammergericht Berlin noch ein Ordungsgeld von Euro 10.000.- hinzu.
- Entschädigung von DM 30.000.- wegen Veröffentlichung eines Nacktfotos der schwangeren Nina Hagen im Magazin ”Focus” (LG Berlin, 27 O 533 / 00)
David Seiler
Rechtsanwalt Mainz, den 20.05.2004
veröffentlicht in Visuell 04/2004, S. 52