Bundesgerichtshof entscheidet über Rechtsschutz an Fotos von gemeinfreien Kunstwerken in Museen – Museumsfotos
Der BGH hat mit Urteil vom 20.12.2018 zum Az. I ZR 104/17, Museumsfotos, die seit Jahrzehnten unter Urheberrechtlern umstrittene Frage, ob Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden (Reprofotos) oder anderen zweidimensionalen Werken als Lichtbild nach § 72 UrhG geschützt sind. Der BGH hat diese Frage klar bejaht, da ein Mindestmaß an persönlicher, geistiger Leistung für Reprofotos erforderlich ist und diese Leistung durch das Leistungsschutzrecht geschützt werden soll. Zudem ging es um die Frage, ob der Eigentümer, insbesondere ein öffentliches Museum wirksam aufgrund seines Hausrechts ein Fotografierverbot verhängen durfte und sich das Fotografierverbot auf die Unzulässigkeit des Uploads der Fotos auswirkt. Auch diese Frage hat der BGH zugunsten des Museums entschieden.
Museumsfotos: Reprofotos und Scans von Gemälden unter CC-Lizenz bei Wikimedia und Wikipedia
Hintergrund war eine Auseinandersetzung zwischen dem Reiss-Engelhorn Museum der Stadt Mannheim und einem Fotograf, der Wikipedia bzw. Wikimedia unterstützt hat, indem er einerseits selbst trotz eines Fotografierverbots Fotos in einer Ausstellung von Gemälden gemacht und diese unter CC-Lizenz online gestellt hat. Zudem hat er aus einem Buch Gemäldereproduktionsfotos abgescannt und ebenfalls unter CC-Lizenz online gestellt.
Museumsfotos durch EU-Urheberrechtsreform erlaubt?
Im Rahmen der Trilogverhandlungen zur EU-Urheberrechtsreform soll das Urteil durch eine Rechtsänderung wieder ausgehebelt werden.
Der Richtlinienvorschlag zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM – Digital Single Market Directive, Vorschlag vom 14. 9. 2016, COM(2016) 592 final) ist heftig umstritten, insbesondere beim Leistungsschutzrecht für Verleger und dem sogenannten Uploadfilter des Artikel 13. Weitgehend unbemerkt kamen in den Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission noch Änderungen in Art. 10 b und Erwägungsgrund 30 a hinzu, die das vom BGH zu Recht festgestellte Leistungsschutzrecht für Reprofotos – auch an gemeinfreien Werken – zusammen mit der Schutzfrist für das abgebildete Werk der bildenden Kunst auslaufen – bzw. bei bereits gemeinfreien Werken – erst gar nicht entstehen lassen soll.
Sollte diese Gesetzesänderung kommen, würde sie jedoch nur den urheberrechtlichen Teil der Entscheidung betreffen, insbesondere das Leistungsschutzrecht an einfachen Lichtbildern (Reprofotos) nicht aber das Eigentumsrecht und das daraus resultierende Hausrecht mit der Möglichkeit, Fotografierverbote anzusprechen. Auch das Urheberrecht im engeren Sinne, der Rechtsschutz für Lichtbildwerke (z.B. Fotos von dreidimensionalen Werken wie Skulturen) bliebe unberührt.
Gerade noch rechtzeitig vor der Abstimmung über die Urheberrechtsreform ist die Besprechung der BGH-Entscheidung Museumsfotos von Rechtsanwalt David Seiler in der Zeitschrift K&R 4/2019, S. 245ff erschienen.
Wo ist die Schutzdauer geregelt?
§ 64 UrhG: Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers.
§ 69 UrhG: Berechnung der Fristen: Die Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist.
Beispiel: Sterbetag am 25.03.1980 – Fristbeginn am 31.12.1980 – Fristablauf 31.12.2050 – also im Jahr 2051 ist das Werk gemeinfrei = kann frei von der Allgemeinheit genutzt werden.
Werke der Bildenden Kunst, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG:
§ 2 Geschützte Werke
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.
Klassische Werke der Bildenden Künste sind insbesondere Zeichnung, Bildhauerei, Malerei oder Druckgrafik.
LG Berlin: Unterlassungsanspruch gegen Internetveröffentlichung von Reprofotos
OLG Stuttgart: Urheberrechts- und Eigentumsverletzung durch Fotografieren von fremdem Eigentum in der Rechtsprechung
Update 22.08.2019:
Zwischenzeitlich wurde die Richtlinie verabschiedet und ist in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesjustizministerium hat bereits Verbände zu Stellungnahmen bzgl. des Umsetzungsbedarfs aufgefordert.
Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über
das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (1) 92
KAPITEL 4 Art. 14 Gemeinfreie Werke der bildenden Kunst
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass nach Ablauf der Dauer des Schutzes eines Werkes der bildenden Kunst Material, das im Zuge einer Handlung der Vervielfältigung dieses Werkes entstanden ist, weder urheberrechtlich noch durch verwandte Schutzrechte geschützt ist, es sei denn, dieses Material stellt eine eigene geistige Schöpfung dar.
„Erwägungsgrund 53: Endet die Schutzdauer eines Werkes, wird dieses Werk gemeinfrei, und die Rechte, die das Urheberrecht der Union für dieses Werk gewährt, erlöschen. Im Bereich der bildenden Kunst trägt die Verbreitung von originalgetreuen Vervielfältigungen gemeinfreier Werke zum Zugang zur Kultur und ihrer Förderung und zum Zugang zum kulturellen Erbe bei. In einem digitalen Umfeld ist der Schutz solcher Vervielfältigungen durch das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte nicht mit dem Ablauf des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks in Einklang zu bringen. Zudem führen Unterschiede zwischen den nationalen Urheberrechtsgesetzen, die den Schutz solcher Vervielfältigungen regeln, zu Rechtsunsicherheit und wirken sich auf die grenzüberschreitende Verbreitung von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst aus. Bestimmte Vervielfältigungen von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst sollten daher nicht durch das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt werden. All das sollte mit der Erhaltung des Kulturerbes betraute Einrichtungen nicht daran hindern, Reproduktionen wie etwa Postkarten zu verkaufen.“
Hinweis: Der Artikel betrifft ausschließlich das Urheberrecht. Verbotsrecht aus dem Eigentumsrecht oder dem Vertragsrecht bleiben davon unberührt.