Panoramafreiheit – Welche Werke darf man unter freiem Himmel fotografieren?

Panoramafreiheit – Welche Werke darf man unter freiem Himmel fotografieren?

Panoramafreiheit – Welche Werke darf man unter freiem Himmel fotografieren?

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Panoramafreiheit: Welche Werke darf man unter freiem Himmel fotografieren? 

Grundlagen und Sonderfälle der Panoramafreiheit, § 59 UrhG

Neben dem Bildnisrecht (Recht am eigenen Bild) ist die Frage, welche Werke, die sich unter freiem Himmel befinden, fotografiert werden dürfen, eine der Fragen, die Fotografen am meisten beschäftigen. Diese Frage stellt sich bei allen Kunstwerken – im Gesetz „Werke der bildenden Künste“ genannt –  im öffentlichen Raum wie Brunnen, Plastiken, Statuen, Graffiti oder Pflastermalerei und insbesondere bei Gebäuden.

Grundsätzlich sind derartige Werke urheberrechtlich geschützt mit der Folge, dass sie nicht vervielfältigt und die Vervielfältigungen (z.B. durch Fotografien) nicht verbreitet (z.B. in Zeitschriften oder Büchern) oder veröffentlicht (z.B. auf Webseiten) werden dürfen. Dieses Recht der Urheber, wie Bildhauer oder Architekten, wird durch das Privileg der Passanten eingeschränkt, Werke, die bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen sind, durch Lichtbild (= Fotografie) zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. Diese Schranke des Urheberrechts wird Panoramafreiheit oder auch Straßenbildfreiheit genannt und ist in § 59 UrhG geregelt.

Sind die Urheber der Werke länger als 70 Jahre tot, so ist die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen und die Werke dürfen auch ohne urheberrechtliche Schranken fotografiert werden.  Selbstverständlich darf aber auch dann nicht fremdes Eigentum verletzt werden. Zum Eigentumsrecht gehört das Hausrecht: also auch bei abgelaufenem Schutzrecht dürfen fremde Grundstücke grundsätzlich nicht ohne Erlaubnis betreten werden. (siehe hierzu Fotos von Schlösser, Garten, Parks)

Auch wenn die Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist, müssen zwei Grundsätze beachtet werden. Bei der Vervielfältigung des Werkes darf das Urheberpersönlichkeitsrecht nicht verletzt werden. Dies bedeutet zum einen, dass der Urheber grundsätzlich einen Anspruch auf Namensnennung hat, insbesondere wenn der Name am Werk angebracht ist oder sich leicht ermitteln lässt und dass die Werke nicht entstellt vervielfältigt werden dürfen. So durfte z.B. eine im Bodypaintingstil bemalte Statue nicht als Postkarte vertrieben werden.

Voraussetzungen für die Panoramafreiheit

Um sich als Passant auf die Panoramafreiheit berufen zu können, müssen mehrere Voraussetzungen vorliegen:

Panoramafreiheit und bleibende Werke

Das Werk muss sich bleibend im öffentlichen Raum befinden, wobei „bleibend“ nicht auf ewig, sondern die normale Lebensdauer des Werkes meint. Verneint wird dies bei dem von Christo verhüllten Reichstag, einer befristeten Kunstinstallation an der Alster namens Neonrevier, bei Schaufenstergestaltung; bejaht wird dies bei Straßenmalerei, Graffiti an Bussen oder Straßenbahnen, Pflastermalerei, Statuen, auch wenn diese später an anderen Orten aufgestellt werden, sowie bei Bauwerken.

Panoramafreiheit für Werke an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen

Das Werk muss sich an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, also von diesen aus einsehbar sein. Öffentlich zugänglich in diesem Sinne sind auch Privatwege, Privatparks während ihrer Öffnungszeit, auch wenn sie zeitweise, z.B. nachts geschlossen sind, Passagen, Galerien und Atrien, nicht aber Bahnhofshalle, denn diese werden als Innenräume angesehen.

Panoramafreiheit und Aufnahmestandpunkt

Die Werke müsse ohne Hilfsmittel wie Leiter, Hubschrauber, zehn Meter hohe Superstative, Balkone, Dächer, aus der Luft etc. eingesehen und aufgenommen werden können. Daher war die Abbildung des Hundertwasserhauses in Wien vom gegenüberliegenden Balkon aus unzulässig. Stative bis auf Augenhöhe, die die Passantenperspektive nicht verändern, aber auch Teleobjektive sind hingegen zulässig.

Folgt man dieser strengen Rechtsprechungslinie, dann sind Aufnahmen von Häusern am Ufer eines Sees, Flusses oder Meeres vom Wasser aus unzulässig, sofern vom Boot oder Schiff aus fotografiert wird, denn diese Wasserfahrzeuge werden als Hilfsmittel anzusehen sein. Eine Aufnahme, die ein Schwimmer macht, wäre hingegen zulässig sofern man die Wasserstraße als öffentliche Wege, Straßen oder Plätze ansieht. Wenn die Gewässer für den öffentlichen Verkehr gewidmet sind, wird man sie unter das Tatbestandsmerkmal „öffentlichen Wege, Straßen, Plätze“ einordnen können, da sie das gemeinsame Merkmal der öffentlichen Verkehrswege erfüllen, auf denen sich gewöhnlich auch Passanten, bei Wasserstraßen etwa Touristen auf Rheinschiffen, bewegen. Die Gesetzesauslegung das Foto müsste von festem Grund und Boden aus gemacht sein, erscheint zu eng. Rechtsprechung zu dieser Frage liegt – soweit ersichtlich – jedoch noch nicht vor. Sofern von einem Wasserfahrzeug keine andere Perspektive auf das Werk am Wasser gegeben ist, als sie ein Schwimmer oder ein Passant vom gegenüberliegenden Ufer aus mit einem Teleobjektiv hätte, sollte auch eine Aufnahme von einem Boot oder niedrigen Schiff aus nicht unzulässig sein.

Problematisch wird die strenge Rechtsprechung zum zulässigen Aufnahmestandpunkt auch bei Angeboten wie Google Earth oder Google Maps, die Satellitenaufnahmen in guter Auflösung anbieten. Diese geben bei hoher Zoomstufe Gebäude genauso gut wieder, wie die von der Rechtsprechung aus urheberrechtlicher Sicht als unzulässig eingestuften Luftbildaufnahmen, bei denen sich der Fotograf eines Hubschraubers oder Flugzeuges (bzw. heutzutage auch einer Fotodrohne) als perspektiveveränderndes Hilfsmittel bedient.

Diese Beispiele zeigen die problematische Rechtsprechung, die auf den Aufnahmestandpunkt als Vorraussetzung für zustimmungsfreie Aufnahmen von Werken an öffentlichen Straßen etc. abstellt. Das Kriterium des Aufnahmestandpunktes findet sich nicht im Gesetz. Es ist von der Rechtsprechung entwickelt worden, um den Eingriff in das Urheberrecht der Architekten und Bildhauer in engen Grenzen zu halten. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Panoramafreiheit jedoch nur auf den Standort des Motivs an öffentliche Straßen etc. abgestellt, nicht aber auf den Aufnahmestandort. Der Aufnahmestandort spielt dann eine Rolle, wenn durch die z.B. erhöhte Aufnahmeperspektive Persönlichkeitsrecht der Bewohner oder Sicherheitsinteressen beeinträchtigt werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn eine Luftbildaufnahme mit Name und Anschrift des Eigentümers einer Promi-Villa veröffentlicht wird. Rein aus urheberrechtlicher Sicht sollte jedoch alleine auf den Standort des aufzunehmenden Objektes abgestellt werden, womit dann auch Aufnahmen aus der Luft oder vom Wasser aus zulässig wären, soweit keine anderen rechtlichen Gründe dagegen sprechen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung kommt es aber auf die freie Sichtbarkeit des Werkes von öffentlicher Straße aus an. Diese ist z.B. bei frei einsehbaren Kunstwerken auf Privatgrundstücken oder bei der Außenansicht der Straßenseite von Häusern gegeben, aber nicht bei Werken hinter hohen Hecken, Zäunen oder bei der Rückseite eines Gebäudes. Dass bei Bauwerken nur die äußere Ansicht zustimmungsfrei aufgenommen werden darf, betont das Gesetz ausdrücklich. Folglich bedürfen Innenaufnahmen aus urheberrechtlicher Sicht der Zustimmung des Architekten.  Zudem ist die Zustimmung des Eigentümers bzw. Mieters als Hausrechtsinhaber einzuholen. Deshalb genügt es nicht die Zustimmung des Gebäudenutzers zu Innenaufnahmen im Rahmen eines so genannten Property Releases einzuholen, wenn dieser nicht auch über die Rechte des Architekten verfügen kann.

Panoramafreiheit für private, redaktionelle und gewerbliche Zwecke

Die Werke dürfen durch Lichtbild – sprich analoger wie digitaler Fotografie – vervielfältigt, verbreitet und öffentliche wiedergeben werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung der Fotografien für private, redaktionelle oder gewerbliche Zwecke erfolgt. So war auch die Nutzung eines von der Straße aus aufgenommenen Fotos eines Privathauses (Friesenhaus) für einen Werbeprospekt als zulässig erachtet worden, obwohl keine Zustimmung des Eigentümers vorlag. (update:) Gleiches gilt für Kunstwerke, z.B. Graffiti – hier bedarf es nicht der Zustimmung des Urhebers, wenn das Werk vom öffentlichen Raum aus fotografiert werden kann. Die Unterscheidung zwischen redaktioneller und werblicher Nutzung spielt anders als bei Personenfotos bei Gebäuden keine Rolle.

Wer von einer Straße aus ohne Hilfsmittel, die zu einer anderen Perspektive verhelfen, Gebäude, Kunstwerke oder andere urheberrechtlich geschützte Werke (z.B. Inschriften = Sprachwerke) fotografiert, kann die Fotos frei vermarkten. In allen übrigen Fällen ist Vorsicht angebracht, insbesondere wenn man sich als Fotograf verpflichtet, die Fotos frei von Rechten Dritter zu liefern und dafür die Haftung übernimmt („… frei von Rechten Dritter …“).

David Seiler
Rechtsanwalt Mainz, den 07.11.07
veröffentlicht in Visuell 01/2008, S. 46

siehe hierzu auch mit ausführlichen Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen meinen älteren Beitrag sowie spezielle zur Rechtsprechung zum Fotografien auf fremden Privatgrundstücken (Schlösser und Gärten); siehe  zur neueren Rechtsprechung BGH AIDA-Kussmund und  BGH Mauerbilder